Die Grundsteuererklärung - ein Trauerspiel Herausforderung Grundsteuer – oder: Deutschland, das digitale Entwicklungsland
Meinung · Bürgerinnen und Bürger erledigen die Arbeit der Verwaltungen. Warum die Grundsteuererklärung in wenigen Minuten zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung Jahre verschlafen hat.
Nur ein Gedankenspiel: Das Unternehmen, bei dem Sie seit Jahren arbeiten, will von Ihnen Ihre Sozialversicherungsnummer, Ihr Alter und Ihre Anschrift wissen und bittet Sie, dies alles in eine digitale Vorlage einzutragen. Ungläubiges Kopfschütteln, zum Ersten. Aber es soll Ihnen ja geholfen werden: Sie erhalten fast alle Daten von Ihrem Arbeitgeber noch ausgedruckt. Kopfschütteln, zum Zweiten und kleiner Wutausbruch. Sie fragen, wer sich diesen Irrsinn ausgedacht hat – und sind verärgert, warum Ihre Arbeitszeit dermaßen verschwendet werden soll. Und dies vollkommen zu Recht!
Genau solch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im schlimmsten Sinne ist für Millionen von Bürgerinnen und Bürger die Pflicht zur Grundsteuererklärung. Sie mussten (oder müssen – denn noch immer fehlen viele Erklärungen) Daten übertragen, die auf einem Formular schon im Anschreiben standen, etwa zum sogenannten Bodenrichtwert oder zur Flurnummer. Sie mussten in der Erklärung die Steuer-Identifikationsnummer eintragen – wohl gemerkt das Dokument geht an das Finanzamt, dem Sie nachgewiesenermaßen bekannt sind, weil Sie angeschrieben worden sind und auch ansonsten etwa bei Steuererklärungen Post erhalten.
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie sehr Deutschland in Sachen Digitalisierung Entwicklungsland ist, die Grundsteuererklärung überzeugte auch Menschen, die unser Land nicht kennen, in wenigen Minuten. Ein Bürokratiemonster, weil – so die Erklärung des Bundesfinanzministeriums – „viele der (...) erforderlichen Daten (...) der Finanzverwaltung nicht in elektronisch verwertbarer Form“ vorliegen. Wir alle müssen also ausbaden, dass die zuständigen Politiker und die anhängigen Verwaltungen in den vergangenen Jahrzehnten nicht einmal bereits bekannte Daten digitalisieren konnten. Im digitalen Tool zur Erklärung sind daher keine Daten hinterlegt – Sie müssen alles neu eingeben. Und wenn Sie nicht schon Ihre Steuererklärung digital abgegeben haben, müssen Sie erst eine Freischaltung beantragen. Nebenbei: Das vereinfachte Tool wurde erst nachgereicht – und enthielt trotzdem Schwächen bei der Speicherung und vielem Anderen. Im schlimmsten Fall haben Sie dort Ihre Daten gar zweimal eingeben müssen, obwohl Sie alles richtig gemacht hatten.
Für mich bleiben an dieser Stelle zwei Fragen – und ich kann mir einen gewissen Zynismus nicht sparen: Sind alle Daten, die über mich bekannt sind, wirklich nirgendwo digital hinterlegt, sondern ausgedruckt in Ordnern? Und ganz ernsthaft: Wie schaffen wir es eine Verwaltung grundlegend umzubauen, so dass Sie endlich den Bürgerinnen und Bürgern eine Hilfe bietet und ihre Arbeit nicht bei diesen ablädt?
Übrigens: Die Grundsteuererklärung ist nur ein Beispiel für ein Land im digitalen Schlaf. 2003 wurde die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte ausgeschrieben, seit 2010 gibt es den Personalausweis mit Online-Funktion. Im Alltag sind beide Flops – und werden kaum genutzt. Und obwohl dies bekannt ist: Ein Aufwachen ist nicht in Sicht ...