Kommentar Für Luxemburg-Grenzgänger Ausweitung der steuerfreien Home-Office-Tage: Gut für die Pendler, schlecht für die Region

34 statt 19 Tage dürfen Luxemburg-Pendler ab 2024 im Home-Office arbeiten, ohne Steuern in Deutschland zahlen zu müssen. Warum die Neuregelung für die Wirtschaft in der Region Trier gefährlich werden kann – und was nun notwendig ist.

Kommentar: Neue Home-Office-Regelung für Luxemburg-Pendler
Foto: Esther Jansen

Die Pendlerinnen und Pendler nach Luxemburg dürfen sich freuen. Zumindest diejenigen, die mobil arbeiten können, etwa in der Dienstleistungs- und Finanzbranche. Sie können künftig mit 34 statt bisher 19 Tagen rechnen, an denen sie weiter von luxemburgischen Steuerregeln profitieren, selbst wenn sie an diesen Tagen von Deutschland aus arbeiten. Und ganz ehrlich: Es ist jedem Pendler zu gönnen, wenn er mehr netto erhält. Eine Neiddebatte ist fehl am Platz.

Doch eines muss ebenso offen gesagt werden dürfen: Die neue Regelung ist aus deutscher Sicht – und vor allem aus Sicht der Region – vor allem eines: ein Steuergeschenk gerade für die meist gut verdienenden Grenzgänger. Denn Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die etwa in der Pflege oder im Baugewerbe arbeiten, werden nicht profitieren, weil für sie Home-Office kein Thema ist. Natürlich stellen das die Protagonistinnen, die zumindest mittelbar beteiligt waren, aber anders dar – Ministerpräsidentin Malu Dreyer etwa sprach von „einem wunderbaren Erfolg für unsere Grenzregion zu Luxemburg“.

Verantwortliche in Unternehmen werden dies deutlich anders beurteilen, und dies ist vollkommen nachvollziehbar. Mit einem Mal werden die Wettbewerbsbedingungen beim sowieso schon herrschenden Kampf um Fachkräfte noch einmal deutlich erschwert. Und dies an Stellen, die die Unternehmen schlichtweg nicht beeinflussen können. Sie haben ihren Sitz in Deutschland. In einem Hochsteuerland, das nebenbei auch etwa bei Energiepreisen und bei der Frage nach deren Entwicklung Herausforderungen für die wirtschaftliche Entwicklung bietet. Und das ist offen gesagt noch zurückhaltend formuliert.

Und nun bekommen die Firmen diesseits der Grenze eine weitere Möglichkeit an die Hand, um neue Arbeitskräfte zu werben. Nur um zu verdeutlichen, was dies bedeutet: Schon jetzt fahren rund 40.000 Grenzgänger aus der Region nach Luxemburg. Und die Äußerung von Verena Hubertz, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Bundestagsabgeordnete für Trier und Trier-Saarburg, lässt vermuten, dass sogar noch mehr steuerfreie Homeoffice-Tage ermöglicht werden sollen. Hubertz betont: „Jeder zusätzliche Home-Office-Tag, den das Gesetz ermöglicht, ist ein Gewinn.“

Ehrlicherweise fordern sowohl Hubertz als auch Dreyer eine luxemburgische Ausgleichszahlung an die grenznahen deutschen Kommunen. Aber warum sollte Luxemburg sich hier eigentlich noch bewegen? Bei den Home-Office-Regeln hat das Großherzogtum nun erreicht, dass seine Firmen profitieren. Und bei den Sozialversicherungsregeln sind sogar Ausnahmen für bis zu 50 Prozent Anteil Home-Office in Deutschland möglich. Nun soll es also weitere Verhandlungen zu Ausgleichszahlungen geben – aber Deutschland hat längst alle Trümpfe aus der Hand gegeben. Ich bitte um Nachsicht für die Ironie, aber: So etwas könnte als erstes Kapitel des Buchs „Verhandlungen und wie man sie nicht führen sollte“ dienen.

Und haben eigentlich alle vergessen, dass es für die Besteuerung am Arbeitsort nachvollziehbare Gründe gibt? Denn es ist nun einmal so, dass Menschen, die nun noch mehr Zeit in Deutschland verbringen, gerade von dieser Infrastruktur vor Ort profitieren. Schulen, Universitäten und Kitas, Freizeiteinrichtungen wie Hallenbäder und Sporthallen, die Verkehrsinfrastruktur – all dies wird selbstverständlich genutzt. Und dies soll bitte nicht falsch verstanden werden: Es ist richtig, dass dies  allen zur Verfügung steht. Aber die Kommunen vor Ort stehen vor enormen Problemen, weil ihnen schlichtweg Einnahmen fehlen, wie sie all dies finanzieren sollen. Und es ist nun schlichtweg keinerlei Entwicklung erkennbar, wie sich dies bessern könnte.

Und die Unternehmer der Region? Die müssen sich offen gesagt fragen, warum die Politik und ihre Ministerpräsidentin sich nicht für sie einsetzt, sondern noch neue Hürden aufbaut. Beim Empfang der Vereinigung Trierer Unternehmen (VTU) im Mai hatte die Ministerpräsidentin noch angekündigt, dass es gute Nachrichten für die Unternehmen geben würde, als sie von VTU-Präsident Frank Natus auf die schwierige Situation im Wettbewerb mit Luxemburg angesprochen wurde. Der hatte wörtlich gesagt: „Lassen Sie es nicht zu, dass es mehr als 19 steuerfreie Arbeitstage gibt.“ Dreyer versprach, dass sich etwas tun werde. Ganz sicher haben sich die Wirtschaftsvertreter aber Anderes erhofft als die nun präsentierte neue Regelung. Und wie sie diese als positiv für die Entwicklung hier vor Ort interpretieren könnten, bleibt ein Geheimnis, das möglicherweise nur in Mainz erklärt werden kann. Der Wirtschaft in der Region Trier wird die neue Regelung nicht helfen, ganz im Gegenteil. Sie kann übrigens in Extremfällen sogar dazu führen, dass weitere Unternehmen überlegen, ihren Standort über die Grenze zu verlegen.

Unsere Region muss nun vor allem Eines machen  und es wäre hilfreich, wenn es hier einen großen Schulterschluss der Wirtschaft, der Verbände, der Kommunen und aller Politikerinnen und Politiker gibt: Sie muss auf die besondere Lage vor Ort noch einmal lautstark hinweisen und sie muss deutlich machen, dass Land und Bund der Region Trier helfen müssen. Warum nicht unsere Region zu einer Modellregion entwickeln, in der bewusst experimentiert wird? Warum nicht darüber nachdenken, sie besonders attraktiv zu machen durch besondere Förderungen? Die von VTU-Präsident Natus vor kurzem laut angedachte Sonderwirtschaftszone klingt zugegeben etwas nach Planwirtschaft und dürfte nicht durchzusetzen sein. Aber wieso etwa nicht Initiativen wie einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr in der Region starten? Wieso nicht hier die Städte und Gemeinden besonders stärken, wenn sie durch die Grenznähe Nachteile haben? Und wieso nicht Firmen Unterstützungen anbieten, wenn sie hier bleiben oder hier neu entstehen?

Denn um noch einmal darauf zurückzukommen: Die Pendlerinnen und Pendler profitieren von den neuen Regeln, die luxemburgischen Firmen ebenfalls. Warum die gesamte Region davon profieren sollte, das bleibt wirklich rätselhaft. Natürlich darf nun nicht das Verhältnis zwischen Luxemburg und Deutschland belastet werden durch eine langwierige Debatte. Und natürlich kann eine gute Entwicklung in unserem Nachbarland bei uns ebenfalls positive Auswirkungen haben, etwa für den Handel und die Gastronomie. Insgesamt birgt die neue Regelung für die Entwicklung der Wirtschaft in unserer Region aber mehr Risiken als Chancen.