Kommentar zum Dioxin-Skandal: Ein herrliches Beispiel

Trier · Wie hübsch! Endlich mal wieder ein Lebensmittelskandal! Und endlich mal was anderes: Diesmal kein Gammelfleisch, kein BSE, kein Acrylamid in Keksen, kein Chloramphenicol in Kalbfleisch, keine Hormone im Fruchtsirup, kein Blei im Brot, kein PCB im Lachs, keine Salmonellen im Putenfleisch, keine Pestizide in Erdbeeren, kein Gen-Soja in Babynahrung und - um die ewig fortsetzbare Liste zu schließen - auch kein Glykol im Wein. Nein! Diesmal ist was andres drin.

Diesmal ist es Dioxin.

Das Schöne an diesem neuesten Lebensmittelskandal ist: Er ist ein ganz fantastisches Beispiel. Ein ganz fantastisches Beispiel dafür, wie krank diese ganze Lebensmittelbranche ist. Und wie weit entfernt von dem, was man einst unter Landwirtschaft verstanden hat. Denn mit Landwirtschaft hat die Erzeugung von günstigen Standardlebensmitteln nicht mehr viel zu tun.

Naiv zu glauben, Hühner würden Körner futtern! Der Skandal lehrt den Verbraucher: Hühner brauchen Mischfettsäure! Die stellt der Bauer natürlich nicht selbst her. Die stellt noch nicht mal der Futtermittelhersteller selbst her. Die stellt jemand her, der eigentlich Diesel produziert. Logisch, oder? All das weiß man jedoch erst nach intensiven Ermittlungen. Denn eigentlich weiß auf Anhieb überhaupt niemand mehr, wo was herkommt und was dann damit passiert. Viel zu industrialisiert ist der Produktionsprozess. Gerade in den Großbetrieben ist sie längst vorbei - die Zeit in der der Bauer das Futter für seine Tiere noch auf eigenen Äckern oder Wiesen produziert hat.

Und weil das alles so schön groß und industriell ist, sind schwuppdiwupp Zigtausend Tiere und Hunderttausende Eier verseucht. Hier werden deshalb mal eben 8000 Legehennen getötet. Dort ein Betrieb mit 80 000 Legehennen gesperrt. 80 000 Legehennen in einem Betrieb! Zahlen, die am Rande der Berichterstattung über den Skandal auftauchen. Zahlen, die an sich schon erschrecken. Aber gut. Bei dem aktuellen Problem geht es nicht um die Würde der Tiere, sondern um die Gesundheit der Verbraucher. Jener Verbraucher, die all dies bereitwillig mitmachen, weil es nun mal so schön billig ist, Eier zu kaufen, die aus industriell arbeitenden Großbetrieben kommen. Was könnte man daraus lernen? Man könnte auch anders einkaufen. Besser kaufen. Bewusster kaufen. Und sich dem Billigwahn verweigern, der die Ursache des Übels ist.

k.hammermann@volksfreund.de

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