Kritik aus Prinzip

Prognosen sind bekanntlich riskant, weil sie die Zukunft betreffen. Und es wird nicht besser, wenn man einfach widersprüchliche abgibt, wie die deutsche Wirtschaftsforscher-Elite in ihrem aktuellen Frühjahrsgutachten.

Einerseits wird darin wegen des geplanten Mindestlohns ein massenhafter Arbeitsplatzverlust vorhergesagt. Andererseits attestiert man dem Arbeitsmarkt weiter eine bemerkenswerte Robustheit. Die Wahrheit ist: Auch der ökonomische Sachverstand stochert im Nebel, wenn es um mögliche Auswirkungen einer flächendeckenden Lohnuntergrenze geht. Was die Experten übrigens auch selbst einräumen.
Schon deshalb wäre es besser gewesen, sich mit markigen Zahlen zurückzuhalten. Zumal der positive Gesamtbefund über die wirtschaftliche Lage in merkwürdigem Kontrast dazu steht. Es bleibt der Eindruck, dass der Kassandra-Ruf der Wirtschaftsforscher in Sachen Mindestlohn aus Prinzip erschallt. Aus ideologischen Motiven, mit denen man auch jeden Tariflohn verdammen könnte.
Gewiss ist der Mindestlohn ein gewagter Feldversuch. Aber die deutsche Wirtschaft ist ungleich stärker als noch vor ein paar Jahren. Fest steht außerdem, dass eine miese Bezahlung leider zum Geschäftsmodell nicht weniger Betriebe geworden ist. Der Markt kann solche Auswüchse nicht selbst heilen. Also muss der Gesetzgeber ran.
Den Ökonomen ist allerdings zuzustimmen, wenn sie die Regierung mahnen, die künftigen Anpassungen des Mindestlohns immer auch unter dem Aspekt der Beschäftigungswirkung zu sehen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten könnte das auch eine Absenkung der Lohnuntergrenze bedeuten, was dann ebenfalls frei von ideologischen Scheuklappen zu diskutieren wäre.
nachrichten.red@volksfreund.de

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