Beruf Lasst mich doch in Ruhe arbeiten!

Trier · 28 oder 48 Stunden Arbeit in der Woche? Der Tarifstreit der Metaller zeigt, wie stark Arbeitgeber und Gewerkschaft in ihren Ideologien gefangen sind.

 Thomas Roth

Thomas Roth

Foto: TV/Klaus Kimmling

Schöne neue Welt: Gemeinsames Frühstück mit den Kindern, dann etwas arbeiten, am Nachmittag geht es zu den Jüngsten an die Kita und zur Schule, die Restarbeit wird abends schnell am Laptop erledigt. Immer entspannt, immer alles zur gerade passenden Zeit, immer ganz nach Wunsch. Es klingt schön, wenn das rheinland-pfälzische Sozialministerium über die Musterfamilie Müller im Masterplan Zukunft philosophiert.

Und es ist verständlich, wenn die Wirtschaftsweisen ebenso wie die Arbeitgeber eine Flexibilisierung der Arbeitszeit fordern. Wenn etwa selbst der Blick aufs Handy verboten werden soll, wenn Unternehmen ihre Spitzen nicht mehr abfedern können, obwohl mancher Mitarbeiter mehr leisten will, kommt es zu absurden Situationen. Es gibt Firmen, in denen Beschäftigte abstempeln und danach an den Arbeitsplatz zurückkehren, manch einer verrät dem Gewerkschaftsvertreter nicht, dass er zu Hause noch einmal den Rechner anschaltet.

Anpassen, nicht abschaffen: Es ist dringend Zeit, das Arbeitszeitgesetz der Realität anzugleichen. Warum nicht eine Wochenarbeitszeit zulassen und sich von den starren täglichen Regelungen lösen? Die Forderung der IG Metall nach einer 28-Stunden-Woche ist dagegen eine, die am Gewerkschaftstisch fernab der Unternehmen entstanden sein muss, ganz nach dem Motto: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Und hinter vorgehaltener Hand sagt mancher Metaller, dass die Forderung eine rein politische ist, dass sie Modernität und Innovation beweisen soll, dass angesichts sinkender Mitgliedszahlen neue Wege beschritten werden sollen - nur sind es hier Umwege.

Ganz nebenbei: Nicht immer sorgt eine kürzere Arbeitszeit für weniger Stress. Wenn keine Zeit mehr für ein Privatgespräch bleibt, wenn der Kaffee im Laufen getrunken werden muss, wenn nur noch Effizienz wichtig ist, geht der Spaß an der Arbeit verloren - egal ob es 28 oder noch weniger Arbeitsstunden sind.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist zurzeit auch in Berlin Thema. Dort zeigt zeigt sich, wie unterschiedlich die Ansichten sind. Es erweist sich aber zudem, dass Politiker als Chefs eher schlechte Vorbilder sind. Die Nacht durcharbeiten, Wichtiges übermüdet besprechen, den Druck immer weiter aufbauen - all das ist bei den Jamaika-Verhandlungen zu beobachten gewesen. Führt das zu einem guten Ergebnis? Das ist während des Entstehens dieser Zeilen noch ungewiss.

Sicher ist aber, dass Chefs bei der Arbeit mit gutem Beispiel vor-angehen müssen - sie vergessen das nur zu oft, und Arbeitszeiten sind in Politiker- und Managerkreisen Tabuthema. Es stimmt: Wer sich selbst konsequent über Jahre ausbeutet, wer immer zurücksteckt, wer keine Freizeit kennt, kann dennoch und vielleicht gerade deswegen erfolgreich sein. Er oder sie ist aber selten ein gutes Vorbild für andere. Er oder sie führt selten mit Empathie. Und er oder sie kann selten Mitarbeiter im besten Sinne des Wortes mitnehmen in die schöne neue Welt.

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