Lastesel der Nation

Die weltweiten Vermögen sind immer ungleicher verteilt. Dieses Ergebnis einer jüngsten Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam ist keineswegs neu.

Erst vor ein paar Wochen hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ebenfalls die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich mit Zahlen und Fakten belegt.
Weitere Untersuchungen dieser Art dürften folgen. Es herrscht also kein Erkenntnisproblem.
Das Problem ist, dass solche Expertisen regelmäßig in der Schublade verschwinden, ohne dass sich an den Zuständen etwas ändern würde. Dabei geht es keineswegs nur um das Häuflein der Superreichen und die wachsende Masse derer, die am Tag kaum satt zu essen haben. Wenn etwa 80 Prozent aller Menschen nur etwa 5,5 Prozent des weltweiten Reichtums besitzen, dann stellen sich auch Fragen für die Mittelschicht in den entwickelten Industrieländern. Denn dort ist die Lage kaum anders.
Auch in Deutschland nicht.
Dass die Mittelschicht der Lastesel der Nation ist, hat sich nicht zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise gezeigt. Die Normalverdiener retteten mit ihren Steuern Banken und bewahrten den Sozialstaat vor dem Zusammenbruch. Wenn diese Schicht längerfristig immer kleiner wird, kann das bei künftigen Krisen immer weniger gelingen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist also nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ökonomisch gefährlich. Zumal dem reichsten Bevölkerungsteil alle Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung stehen, sich "arm" zu rechnen, um auf diese Weise seine Steuern zu reduzieren. Das so angehäufte Kapital sucht dann erst recht nach Anlagemöglichkeiten, die dann wieder zu weltwirtschaftlichen Turbulenzen führen können. Gemessen daran tendiert der "Gestaltungsspielraum" für Arbeitnehmer bei ihrer Steuererklärung gegen null.
Was also ist zu tun? Eine angemessene Besteuerung großer Vermögen muss nach wie vor ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dazu gehört vor allem eine Reform der Erbschaftsteuer. Auch die Abgeltungssteuer auf Zinserträge muss gerechter werden. Abgeschafft oder zumindest nachhaltig erschwert werden muss auch die Möglichkeit der Gewinnverlagerung großer Unternehmen in Niedrigsteuergebiete. Dass der nationale Wille allein dafür nicht ausreicht, macht die Sache zwar nicht leichter. Morgen kommen die politischen Eliten beim traditionellen Weltwirtschaftsforum in Davos zusammen. Für Angela Merkel wäre das eine gute Gelegenheit, die ungleiche Vermögensverteilung ernsthaft anzusprechen und bei der Bekämpfung von Steuerschlupflöchern Druck zu machen.
nachrichten.red@volksfreund.de

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