Leitartikel Hass und Hetze muss endlich Einhalt geboten werden

Obwohl endlich ein Tatverdächtiger festgenommen worden ist, bleibt der Fall um die rechtsextremistischen Drohbriefe mysteriös. Viele Fragen sind nicht geklärt. Vor allem hinsichtlich einer weiterhin möglichen Verbindung zur hessischen Polizei, auch wenn der Verdächtige selbst kein Beamter ist.

Leitartikel: Hass und Hetze muss endlich Einhalt geboten werden
Foto: k r o h n f o t o .de

Sollte sich wiederum herausstellen, dass es tatsächlich keine Beziehung in die Behörden hinein gegeben hat, muss dringend geklärt werden, warum jahrelang akribisch in diese Richtung ermittelt wurde, warum man so lange auf der falschen Fährte geblieben ist und der Täter deshalb weiter Angst und Schrecken unter seinen Adressaten verbreiten konnte. Das ist deshalb wichtig, weil die Sicherheitsbehörden schon mehrfach in der Vergangenheit Irrwege verfolgt haben mit noch verheerenderen Konsequenzen. Stichwort Mordserie des NSU.

Der Fall der rechtextremen Drohbriefe steht zugleich stellvertretend für eine Entwicklung, die beängstigend ist. Die politisch motivierte Kriminalität nimmt immer mehr zu, die Enthemmung im Netz wächst und damit steigt die Gewaltbereitschaft auf der Straße. Betroffen sind nicht nur diejenigen, die sich engagieren oder beruflich anecken. Der zersetzende Shit­storm aus Hass und Hetze kann jeden jederzeit treffen. Die Koalition hat dagegen kürzlich ein Gesetz beschlossen, wie üblich nach zähem Ringen. Inwieweit es auch wirken wird, lässt sich noch nicht klar sagen. Nur so viel steht schon fest: Präventiv hat die Groko mit ihren Verschärfungen bisher nichts erreicht, wie man jeden Tag im Internet erkennen kann. Nun muss man die Hoffnung in eine konsequente Strafverfolgung legen, wobei es nach wie vor an Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Bundesländern fehlt. Auch braucht es dringend noch etwas anderes – mehr Empathie und Unterstützung für die Opfer dieser Taten.

Der Druck kommt laut Bericht des BKA und des Innenministeriums inzwischen von drei Seiten: Von den Links- und noch mehr von den Rechtsextremisten schon länger. Nun aber noch pandemiebedingt von jenen, die die Corona-Maßnahmen ablehnen. Auf den letzten Demonstrationen hat sich gezeigt, dass einige der Corona-Gegner auch vor Angriffen auf die Polizei oder Journalisten nicht zurückschrecken. Die Bewegung ist freilich diffus strukturiert und damit für die Sicherheitsbehörden eindeutig schwerer greifbar. Dort versammeln sich Esoteriker, Rechte, Reichsbürger, sogar Linke und auch besorgte Menschen, die für ihre Freiheitsrechte auf die Straße gehen. Egal, wie die Motive sind, sie können kein Grund für Rechtsverletzungen sein, weder aus Sicht der Protestler, noch aus der der Polizei. Im Gegenteil. Gegen Verstöße und Attacken muss genauso vorgegangen werden, wie die Polizei es regelmäßig am 1. Mai bei den Autonomen in Kreuzberg tut.

Angesichts der neuesten Zahlen gilt umso stärker: Politische Gewalt, egal aus welcher Ecke, ist nicht hinnehmbar. Innenminister Horst Seehofer spricht gerne von „null Toleranz“, am Dienstag wieder. Den Worten müssen aber viel mehr Taten folgen. Analog wie digital.

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