Letzte Chance verpasst

Hätte CSU-Mann Karl-Theodor zu Guttenberg mal nur auf den Rat des SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz gehört: Der ehemalige Richter empfahl dem Schummelminister, sein Fehlverhalten einzuräumen, sich dafür zu entschuldigen, den Ministerstuhl zu räumen und als einfacher Bundestagsabgeordneter den Rest der Legislaturperiode zu fristen. Das wäre ein sauberer Schnitt gewesen und auch eine Art Buße, um den Fehltritt zu sühnen.

Diesen Schritt hätte der längst entzauberte einstige politische Hoffnungsträger auch bei der gestrigen Aktuellen Stunde im Bundestag noch gehen können. Doch Guttenberg verpasste auch die letzte Chance, in aller Öffentlichkeit Größe zu zeigen und der Politik damit ein Stück Glaubwürdigkeit zurückzugeben.

Er hat die Situation sogar noch verschlimmbessert, indem er abermals den erschwindelten Doktortitel als eine Art Ausrutscher hinstellte, zu dem es unbewusst und wegen der Überlastung in Politik und Familie gekommen sei. So hören sich Ausflüchte an, aber keine wirkliche Reue.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und mit ihr weite Teile der Unionsfraktion dieses Nebelkerzenwerfen auch noch unterstützen und die Plagiatsaffäre für beendet erklären, ist skandalös. Der ertappte Dieb errötet leicht, macht einen kleinen Kotau, und die Karawane zieht weiter, als sei nichts geschehen.

Auch die drei CDU-Abgeordneten aus der Region Trier machen angesichts dieses politischen Schmierentheaters alles andere als eine gute Figur, wenn sie ihrem Unionsfreund auch noch auf die Schulter statt auf die Finger klopfen. Natürlich hat der Trierer CDU-Mann Bernhard Kaster recht, wenn er in diesem Kontext an den rheinland-pfälzischen SPD-Justizminister Heinz Georg Bamberger erinnert, der bei der Besetzung eines Richterpostens die Landesverfassung verletzt habe. Auch Bamberger hätte dafür seinen Stuhl räumen müssen. Er tat es nicht; und das ist mindestens genauso unverständlich wie im Fall des Schummelbarons Guttenberg.

Mit den regionalen Christdemokraten halten jetzt übrigens genau jene an einem angeschlagenen Politiker fest, die im Fall des umstrittenen Eifeler Landtagsabgeordneten Michael Billen noch auf die politische Grundhaltung der CDU verwiesen haben, wegen der Billen seinen Stuhl auf jeden Fall räumen müsse. Hat sich an dieser Grundhaltung etwa in den letzten beiden Wochen plötzlich etwas geändert? Es scheint so, wie der Umgang mit dem Fall Guttenberg zeigt.

r.seydewitz@volksfreund.de

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