Maschinisten auf der Brücke

Keinen Satz hat der damalige SPD-Generalsekretär Hubertus Heil je so bereut wie den aus dem Jahr 2006, als er sagte, seine Partei schwitze im Maschinenraum der großen Koalition, während die Union und ihre Kanzlerin sich auf dem Sonnendeck entspannten. Das klang wehleidig, nach Drecksarbeit und vorenthaltenem Lohn.


In sich selbst erfüllender Prophezeiung kam es dann auch so. Die SPD heimste zwar bei der Wahl 2009 in der medialen Fachwelt durchaus Lob für ihre treue Koalitionsarbeit ein, aber bei der folgenden Wahl nicht die Stimmen.
Diesmal gehen die Sozialdemokraten es anders an. Sie haben sehr hart verhandelt und dann, so berichten erstaunte Ministerialbeamte, die Schaltstellen in den ihnen zugewiesenen Ministerien außerordentlich gut vorbereitet eingenommen.
Und sie zögern nicht, ihre Themen, sofern sie im Koalitionsvertrag abgesichert sind, entschlossen umzusetzen.
Gabriels Energiereform, bei der Meseberger Kabinettsklausur bereits beschlossen, Nahles\' Rentengesetze, der Mindestlohn, die Mietpreisbremse von Bauministerin Hendricks oder die Frauenquote von Justizminister Maas. Nur die Familienministerin hinkt etwas hinterher.
Gegenwärtig ist für die SPD eher das Bild des Motors angemessen, der das Koalitionsschiff vorantreibt. Während die Kanzlerin ...
Ja, was macht die eigentlich? Jedenfalls lenkt sie nicht. Sie fährt irgendwie nur mit, so wie die ganze Union. Das jedenfalls ist der Eindruck. Er resultiert auch daraus, dass die Union in dieser Koalition kaum Ressorts hat, in denen viel zu gestalten ist. Eine große Gesundheitsreform steht nicht an, in der Agrar- und Innenpolitik herrscht Alltag. Die Verteidigungsministerin von der Leyen hat sich erst einmal den weichen Themen gewidmet und die harten internationalen Fragen dem Außenminister Steinmeier von der SPD überlassen, der ebenfalls so ungestüm in sein altes Amt gestartet ist, als gäbe es kein Morgen mehr.
Auch der stärkste der Christdemokraten, Wolfgang Schäuble, kann kaum mehr machen als die Kasse zusammenzuhalten, was politisch gesehen nicht eben sexy ist.

Meseberg ist ein guter Auftakt vor allem für die SPD gewesen, die die zwei Tage mit ihren Vorhaben dominiert hat. Unmittelbar auszahlen muss sich das für die Sozialdemokraten freilich nicht. Den Leuten ist egal, wer das Schiff antreibt. Hauptsache, es fährt. Und die Menschen vergessen auch schnell, wem sie was zu verdanken haben.
Zudem verschießen die Sozialdemokraten ihr Pulver recht früh. Mag sein, dass Merkel so kalkuliert. Und nächste Woche schon, wenn sie ihre Regierungserklärung im Bundestag abgibt, hat sie die Bühne für sich allein. Aber Gabriels Chance liegt darin, dass 2017 die Kapitänin wahrscheinlich von Bord gehen wird. Seit Meseberg erscheinen er und seine SPD als eine Kraft, die auch auf der Brücke zu Hause ist. Und nicht nur im Maschinenraum. Das ist schon mal was.
nachrichten.red@volksfreund.de

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