Meinung Warum es mehr Freiheiten als Anreiz für die Corona-Impfung geben darf

Der Gesundheitsminister schlägt vor, vollständig Geimpfte künftig genauso zu behandeln wie negativ Getestete. Warum das logisch und richtig ist:

Meinung: Mehr Freiheiten als Anreiz für die Corona-Impfung
Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Wenn die dritte Welle gebrochen ist und zum Beispiel der Einzelhandel mit einer umfangreichen Teststrategie wieder die Türen öffnet, dann sollten Geimpfte nicht noch zusätzlich einen negativen Schnelltest vorweisen müssen. Das ist nur logisch und folgerichtig, nachdem das Robert-Koch-Institut dafür nun grünes Licht gegeben hat. Es hält die Ansteckungsgefahr, die von Geimpften ausgehen kann, für geringer als bei Menschen mit einem aktuellen negativen Antigen-Schnelltest.

Spahns Vorschlag impliziert jedoch viel mehr. Wenn schon kein Test für Geimpfte im Einzelhandel mehr nötig wäre, warum dann noch beim Eintritt ins Kino oder ins Konzert? Und warum sollten Geimpfte nach dem Urlaub bei der Einreise nach Deutschland noch einen Test vorweisen müssen oder in Quarantäne gehen müssen? Neid und Missgunst könnten um sich greifen je weitreichender die Privilegien Geimpfter sind, die ihnen der Staat einräumen möchte. Deshalb gilt es hier klug abzuwägen.

Die Ethik-Kommission hatte Privilegien für Geimpfte im Februar vor allem mit dem Argument abgelehnt, dass sich jüngere Menschen ohne Vorerkrankungen wegen der festgelegten Impfreihenfolge hinten anstellen müssten, also noch gar nicht die Chance auf eine Impfung hätten. Doch nach der jüngsten Entscheidung, den Astrazeneca-Impfstoff nicht mehr an unter 60-Jährige zu verimpfen, musste die strikte Impfreihenfolge bereits geändert werden: Am Osterwochenende konnten sich Zehntausende über 60-Jährige mit Astrazeneca impfen lassen, obwohl sie eigentlich noch gar nicht an der Reihe gewesen wären. Auch der Impfstart bei den Hausärzten in dieser Woche wird die festgelegte Reihenfolge noch einmal durcheinander bringen, weil den Ärzten bei der Entscheidung, wen sie wann impfen, auch eigener Ermessensspielraum zugebilligt wird.

Je mehr Impfstoff in den kommenden Monaten zur Verfügung stehen wird, desto größere Chancen haben alle Bevölkerungsgruppen auf eine Impfung. Im Spätsommer dürfte es so weit sein, wenn die Lieferzusagen eingehalten werden. Dann macht es auch Sinn, Geimpften besondere Vorteile zu gewähren. Denn Erleichterungen für Geimpfte im Einzelhandel und auch bei Urlaubsreisen könnten die Impfbereitschaft mittelfristig erheblich erhöhen. Der Staat muss alles tun, damit die Impfkampagne ein Erfolg wird und die für die Herdenimmunität erforderliche Impfquote von mindestens 60 Prozent der Bevölkerung schnell erreicht wird. Das Vorangehen der Menschen, die eigene Zweifel überwinden und auch Nebenwirkungen einer Impfung in Kauf nehmen, darf dann auch belohnt werden.

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