Mentale Kehrseite einer geänderten Gesellschaft

Soziale Netzwerke können krank machen.

 Rainer Neubert

Rainer Neubert

Foto: Klaus Kimmling

Meine Kindheit und frühe Jugend waren ein ruhiger Fluss. Wer das von sich behaupten kann, ist vermutlich in einer Zeit groß geworden, in der Computer noch nicht viel mehr waren als bessere Schreibmaschinen. Von Smartphones und schnellen Datennetzen ganz zu schweigen. Bis kurz vor Sonnenuntergang im Freien zu spielen, war damals ebenso normal wie die Lektüre spannender Bücher. Statt kurzer Mails und noch kürzerer WhatsApp-Nachrichten wurden lange Briefe geschrieben, in der Hoffnung, vielleicht in einigen Tagen eine Antwort im Briefkasten zu finden.
Die ständige Überflutung mit Nachrichten, egal ob wichtig oder nicht, der ständige und unbedingt schnelle Austausch mit wirklichen und vermeintlichen Freunden über Facebook, Insta gram und Co., der unvermeidliche Blick auf das Smartphone in Erwartung neuer Likes, Herzchen und Smileys hätte uns damals vermutlich komplett überfordert.
Zeiten ändern sich. Heute gehört die zeitnahe Vernetzung schon für Kinder zur Selbstverständlichkeit. Für die meisten Jugendlichen ist der mobile Multifunktionstaschencomputer fester Bestandteil des Lebens.
Möglicherweise ist aber gerade diese unablässige Datenflut, Erreichbarkeit und Kommunikation das Tüpfelchen auf dem i als Auslöser mentaler Probleme. Wenn sich zu viel privater zu noch mehr beruflichem und multimedialem Stress addiert, kann das auch Auslöser für eine Depression sein.
In Rheinland-Pfalz nehmen so viele Auszubildende wie in keinem anderen Bundesland Medikamente zu Behandlung des Nervensystems. Das liegt sicher eher an der vergleichsweise guten medizinischen Versorgung und einer in der Folge entsprechend hohen Achtsamkeit für psychische Auffälligkeiten bei jungen Menschen. Im Gegenzug heißt das allerdings auch, dass vermutlich nicht nur in anderen Teilen Deutschlands längst nicht alle behandlungsbedürftigen Krisen erkannt werden.
Nicht nur die Verantwortlichen in den Ausbildungsbetrieben können mehr dafür tun, dass es nicht dazu kommt. Vor allem gefragt sind die Eltern. Verbote helfen selten und bewirken in der Regel nur Trotz. Aber den gemäßigten Umgang mit dem Smartphone kann jedes Kind lernen. Was das heißt? Nehmen Sie doch einfach einmal Ihr eigenes Verhalten kritisch unter die Lupe.
r.neubert@volksfreund.de

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