Merkels Entscheidung

Es liegt allein in der Hand von Angela Merkel, wie die nächste Bundestagswahl ausgeht. Wenn die dann seit fast zwölf Jahren amtierende Kanzlerin 2017 wieder antritt, hat sie schon gewonnen.

Vielleicht sogar mit absoluter Mehrheit. Wenn es nicht die absolute Mehrheit wird, dann kann sie auswählen: große Koalition oder, wahrscheinlicher, Schwarz-Grün.
Es ist schon richtig, was Schleswig-Holsteins Torsten Albig seinen Genossen riet: Wenn Merkel antritt, brauchen die Sozialdemokraten keinen Kanzlerkandidaten. Wohl eher, möchte man hinzufügen, einen Notfallseelsorger. Aber, das ist das Dilemma, wenn die SPD sich gar nicht mehr ernsthaft bewirbt, braucht sie den Seelsorger sofort.
Wer noch Hoffnung oder Angst hat, dass es anders kommt, wendet ein, bis dahin fließe noch viel Wasser die Spree hinunter. Außerdem gebe Merkel ihren persönlichen Beschluss sowieso erst Anfang 2016 bekannt. Das stimmt, aber es gibt derzeit nicht das geringste Anzeichen, dass die CDU-Chefin verzichten wird. Sie ist mit 61 Jahren jung genug, sie steht im Zenit ihres Schaffens und, was ebenso entscheidend ist, sie weiß, dass ohne sie die Union fast nichts ist.
Merkel ist nicht eitel, das spricht für eine Machtübergabe zur rechten Zeit, die 2017 eigentlich gekommen wäre. Aber sie ist auch nicht verantwortungslos. Das spricht klar dagegen, schon jetzt zu gehen.
Von der Leyen, de Maizière, Klöckner, Kauder - allein schon wie diese Namen unionsintern derzeit mit dem gleichen Atemzug verworfen werden, in dem man sie nennt, zeigt, was dann käme: Hauen und Stechen. Nach Merkel kommt der Absturz. Die Partei soll sich auf ihre aktuellen 43 Prozent in Sonntagsfragen nichts einbilden, das ist alles geliehen.
Irgendwann wird die Kanzlerin aber doch gehen müssen. Vielleicht in der Mitte der nächsten Legislaturperiode? Alle lauern darauf, vor allem die Sozialdemokraten. Sie sollten allerdings mehr darüber nachdenken, wie Angela Merkel es geschafft hat, in die Position der alles Entscheidenden zu kommen: durch ihre Besonnenheit, ihre uneitle Art, ihre - allerdings oft nur scheinbare - Überparteilichkeit, ihren Sinn für das Gemeinwohl.
Sie hat den Deutschen das Gefühl gegeben, bei ihr gut aufgehoben zu sein in den Krisen der Zeit. Wenn man die sozialdemokratischen Bewerber an diesen Kriterien misst, bleibt man ganz sicher nicht bei Sigmar Gabriel oder Andrea Nahles hängen, sondern nur an einem: Frank-Walter Steinmeier. Die SPD sollte ihn sich für den Tag X warmhalten.
nachrichten.red@volksfreund.de

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