Merkels Kriegstrommel

Mit ihr werde es keine gesamtschuldnerische Haftung in Europa geben, sagte Merkel gestern im Bundestag. Am Vortag soll sie intern sogar hinzugefügt haben: "So lange ich lebe.

" Es war die Einstimmung auf den heutigen EU-Gipfel. Kriegstrommelei.
Möge die Kanzlerin lange leben - und mag die gemeinschaftliche Schuldenhaftung trotzdem kommen. Merkels Argumente sind im Prinzip zwar richtig: Jeder muss für seine Schulden gerade stehen; wir wollen nicht für die Verschwendung der Südländer zahlen; Euro-Bonds sorgen nur dafür, dass der Reform-Elan schlagartig erlischt. Und trotzdem ist diese Position nicht mehr haltbar.
Es geht nämlich längst nicht mehr um ordnungspolitische Prinzipienhuberei. Das Kind Euro-Stabilität ist bereits in den Brunnen gefallen. Auch mit deutschem Zutun, mindestens unter klammheimlicher Duldung erst Kohls, dann Schröders, sogar Merkels. Die weichen Maastricht-Kriterien, die Aufnahme Griechenlands, die mangelnde Umsetzung des Stabilitätspaktes, die eigene Verschuldung - man hat das alles gewusst, mindestens wissen können. Jetzt ist die Waage gekippt. Anders als Deutschland haben die Südländer nicht die Wirtschaftskraft, um bei Zinsraten von sieben, zehn und mehr Prozent je wieder aus der Abwärtsspirale herauszukommen. Deutschland zahlt nun kaum über null Prozent Zinsen. Um ein anderes Bild zu gebrauchen: Die Maus Griechenland kann noch so sehr strampeln, aus dieser Milch wird keine Butter mehr. Sie ersäuft. Und vielleicht nicht nur Griechenland. Dann haben auch wir ein gewaltiges Problem. Erst mit unserem Export, dann mit unserer Bonität.
Freilich steckt hinter der Debatte um Euro-Bonds in gewisser Weise auch ein Streit um des Kaisers Bart. Würde man jetzt und bedingungslos Schulden vergemeinschaften, um den Zinsdruck zu mindern, dann würde all das eintreten, was Merkel und auch Bundsbankpräsident Jens Weidmann befürchten. Dann würde man in der Tat den letzten Schritt zuerst machen. Das aber will niemand. Der Vorwurf ist ein Popanz.
Beim Gipfel in Brüssel liegt heute ein Papier vor, in dem die Ausgabe gemeinsamer Schulden "abhängig vom Fortschritt bei der fiskalischen Integration" empfohlen wird. Also abhängig vom Durchgriffsrecht auf die Haushalte jedes Mitgliedslandes. Erst die Fiskalunion, dann die Schuldenunion. Nur in dieser Reihenfolge geht es. Es ist richtig, wenn Merkel auf dieser Reihenfolge besteht. Aber in dieser Reihenfolge muss es dann auch kommen. Und zwar möglichst weit vor ihrem Ableben.
nachrichten.red@volksfreund.de

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