Merkels Menetekel

Auch das noch. Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen.

Eine Abstimmung im bevölkerungsreichsten Bundesland ist immer auch so etwas wie eine kleine Bundestagswahl. NRW gilt als Laboratorium für künftige Koalitionen in Berlin. Und die Folgen von Entscheidungen an Rhein und Ruhr lassen sich besonders gut an den Ereignissen des Jahres 2005 ablesen. Damals verlor die SPD in ihrem Stammland haushoch, der angeschlagene Kanzler Gerhard Schröder führte Neuwahlen im Bund herbei und verlor danach Amt und Würden. Angela Merkel, seine CDU-Nachfolgerin, agiert zwar weitaus emotionsloser als Schröder. Aber auch für Merkel könnte NRW jetzt endgültig zum koalitionspolitischen Menetekel werden.
Die Ereignisse in Düsseldorf passen der Kanzlerin absolut nicht ins Kalkül. Mitten in die Euro-Krise hinein wieder ein Landtagswahlkampf, und dann auch noch mit ihrem Umweltminister, dem CDU-Landesvorsitzenden Norbert Röttgen, als Spitzenkandidaten. Ausgerechnet in Zeiten, wo es bei der Energiewende hapert, wird sich Merkel einen neuen Ressortchef suchen müssen. Röttgen wittert seine Chance, er muss in NRW bleiben, um glaubhaft Wahlkampf führen zu können. Sollte er den mächtigsten Landesverband der Union dann zurück in die Regierungsverantwortung bringen, vielleicht sogar als Ministerpräsident, wäre er vorerst der einzig wahre Kronprinz der Kanzlerin. Mit Argusaugen wird Merkel zugleich auf die Liberalen blicken: Bei den Wahlen im Saarland Ende März und in Schleswig-Holstein Anfang Mai sieht es derzeit nach Rauswurf aus den Landtagen aus - besonders das Abschneiden im Norden dürfte nicht unerheblich sein für die politische Zukunft von FDP-Chef Philipp Rösler. Kommt ein liberales Debakel in NRW vielleicht noch hinzu, werden die Chaostage bei der FDP vollends ihren Lauf nehmen.
Dann aber muss Merkel die Frage beantworten, ob sie in Berlin mit einem unberechenbaren, politisch unbedeutenden Partner einfach weiter regieren will. Womöglich wird sie ihr Heil eher in der großen Koalition suchen.
Da hätten die Sozialdemokraten dann noch ein Wörtchen mitzureden. Die SPD, derzeit mit Blick in die Länder gefühlt obenauf, hat mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ein neues, innerparteiliches Schwergewicht zu bieten. Zwei Jahre lang hat sie eine Minderheitsregierung geführt, das hat die Genossen beeindruckt. Der Hahnen-Dreikampf in der SPD um die Kanzlerkandidatur wird zwangsläufig zum Vierkampf inklusive Dame werden, wenn Kraft als Siegerin aus der Landtagswahl hervorgeht. Es gibt genügend Sozialdemokraten, die sich darüber freuen würden.

nachrichten.red@volksfreund.de

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