Merkels Triumph

In der Ruhe liegt die Kraft. Angela Merkel hat das immer gewusst, und sie hat es bis zum Wahltag konsequent beherzigt. Daran haben die ewig nörgelnden, grantelnden Quertreiber aus Bayern ebenso wenig etwas geändert wie die übernervösen CDU-Landesfürsten.

Selbst verheerende Landtagswahl-Ergebnisse im Saarland und in Thüringen und ein mäßiger Auftritt beim Fernsehduell haben es nicht vermocht, die Kanzlerin aus dem Gleichgewicht zu bringen. Trotz leichter Verluste.

Angela Merkel zeigte sich lernfähig. Vor vier Jahren wäre sie um ein Haar daran gescheitert, dass sie sich im Wahlkampf zu sehr auf Konzepte und Personen festlegte, die genüsslich von der Konkurrenz und den Medien auseinandergenommen wurden. Diesmal blieb die Kanzlerin im Ungefähren, bloß nicht genau werden, sich nicht angreifbar machen. Stattdessen gab Merkel die Staatsfrau und Krisenmanagerin. Das ist ihr perfekt gelungen. Die Erfolge wurden ihr gutgeschrieben. Das Scheitern, der Dauerzoff der Großen Koalition, die misslungenen Projekte und die faulen Kompromisse gingen mit der SPD nach Hause. Deren verheerende Niederlage spricht Bände. Das ist bitter, so ein Desaster muss wehtun, aber für die Sozialdemokraten endet mit dieser Regierungszeit auch eine qualvolle Zeit der Selbstverleugnung, der personellen Auszehrung, der Zerrissenheit und Frustration, kurz bevor es die Partei völlig zerreißt. Die Erholung in der Opposition wird der SPD nach elf Jahren Regierungsbeteiligung gut tun, personell wie inhaltlich. Vorausgesetzt, die Sozialdemokraten erliegen nicht ihrer Lust zur Demontage des eigenen Führungspersonals.

Guido Westerwelle hatte allen Grund zum Strahlen. Er ist mit seiner Partei der große Gewinner der Wahl, wird Wunschpartner der Kanzlerin. Doch Westerwelle wusste gestern Abend auch genau, dass ein noch so grandioses Ergebnis ihm nichts genützt hätte, wäre der Anlauf an die Macht zum dritten Mal misslungen.

Insofern ging es für die Freien Demokraten nicht nur um Prozentzahlen, sondern auch um Westerwelles Kopf. Diesmal wurde seine Standfestigkeit, seine eindeutige Festlegung auf Schwarz-Gelb, belohnt. Die Wähler trauen ihm und seiner FDP eine Menge wirtschaftlichen Sachverstand zu, zumal der FDP-Chef nicht als kalter Neoliberaler auftrat, sondern als Marktwirtschaftler mit Augenmaß.

Die Linke ist mit dem Ergebnis sicher sehr zufrieden, wird aber politisch auch in den nächsten vier Jahren keine entscheidende Rolle spielen. Sie hat trotz aller Polemik und ihrer einfachen, populistischen Rezepte von der Wirtschaftskrise nicht profitiert. Die Wähler mögen eben mehrheitlich keine Extreme, erst recht nicht in schwierigen Zeiten.

Die Grünen sollten bei aller zur Schau gestellten Zufriedenheit zur Kenntnis nehmen, dass sie nur noch fünftstärkste politische Kraft in diesem Land sind. Es war ein Riesenfehler, fast alle denkbaren Koalitionsmöglichkeiten bereits im Vorfeld der Wahl auszuschließen und sich so ins politische Abseits zu manövrieren.

Unabhängig von den einzelnen Ergebnissen der Parteien bleibt eine bittere Zahl übrig: Die zweitstärkste Kraft in diesem Land ist die Partei der Nichtwähler.

Fast 30 Prozent der Wahlberechtigten machten von einem Grundrecht keinen Gebrauch, für das anderswo auf der Welt Menschen ihr Leben riskieren. Bei allem verständlichen Frust: Es waren auch die viel gescholtenen Politiker, die in freien, gleichen und geheimen Wahlen aus Deutschland eines der wohlhabendsten, freiesten und angesehensten Länder der Welt gemacht haben. d.schwickerath@volksfreund.de

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