Mit heißer Nadel

Der Vorrat an Gemeinsamkeiten in der Großen Koalition ist weitestgehend aufgebraucht. Das zeigt sich nicht nur am kürzlich gescheiterten Gesetz zur unterirdischen Einlagerung des Klimakillers CO{-2}.

Nun ist auch noch das geplante Kinderschutzgesetz auf der Strecke geblieben. Dabei hatte Ursula von der Leyen zuletzt alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Projekt doch noch zu retten. Aber genau darin steckt auch das Problem. Eine Einigung wäre am Ende eher eine Gesichtswahrung der Familienministerin gewesen, als dass es sich wirklich um einen substanziellen Fortschritt gehandelt hätte. Als die CDU-Politikerin den Gesetzentwurf präsentierte, wurde er nicht nur von der Opposition zerrissen, sondern auch von der Fachwelt.

Unter dem Eindruck der dramatischen Fälle misshandelter und vernachlässigter Kinder hatte die erfolgverwöhnte Ministerin ein Paragrafenwerk gestrickt, das weit über das Ziel hinausschoss: Verpflichtende Hausbesuche durch die Jugendämter und eine Lockerung der ärztlichen Schweigpflicht bargen unkalkulierbare Risiken und Nebenwirkungen. Nun kann man der SPD wahltaktisches Kalkül unterstellen, wenn sie von der Leyen den Triumph nicht gönnt. Wahr ist aber auch, dass Nachbesserungen im Eilverfahren erfolgten, weshalb die Zweifel an dem Gesetz nicht verstummt sind.

Der Kinderschutz in diesem Land geht trotzdem nicht den Bach hinunter, wenn es erst in der nächsten Wahlperiode zu einem neuen parlamentarischen Anlauf kommt. Schon jetzt sind die Jugendämter dazu verpflichtet, im Zusammenspiel mit Ärzten, Schulen und der Polizei für das Kindeswohl in Problemfamilien zu sorgen. Dass dies nicht immer gelingt, hängt auch mit der mangelnden personellen Ausstattung in den Ämtern zusammen. Hier kann ein wirksamer Kinderschutz sofort ansetzen - auch ohne Gesetz.

nachrichten.red@volksfreund.de

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