Mut zur Verantwortung

Neben den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima beweist nichts die Unverantwortlichkeit der Atomkraft mehr als die weltweit offene Entsorgungsfrage. Eine Technologie, deren Hinterlassenschaften niemand bei sich in der Nähe wissen will, darf man nicht nutzen.

Es ist unmoralisch, sie trotzdem in Betrieb zu nehmen und dann bei der Endlagerung des Mülls auf Hoffnung, Verdrängung, Bestechung oder staatliche Gewalt zu setzen. Alle vier Methoden spielten bisher auch in Deutschland eine Rolle. In Gorleben.
Die gestrige Einigung von Bund und Ländern auf eine völlig neue, ergebnisoffene Standortsuche ist ein historischer Durchbruch. Man will alles besser machen: Ehrlicher, offener, demokratischer, transparenter.
Dass dieser Versuch nun gestartet werden kann, ist das Verdienst vieler: Des Umweltministers Peter Altmaier, der sehr sensibel verhandelt hat. Der anderen Länder, die sich - mit der ärgerlichen Ausnahme der Südwest-CDU - als mögliche Alternativstandorte zu Niedersachsen bereiterklärt haben. Der Niedersachsen, die auch Gorleben, trotz allem, noch im Topf lassen, damit die Landkarte, auf der gesucht wird, wirklich weiß ist. Aller Parteien, die nun gemeinsam erklären, dass sie die Verantwortung für diesen Müll nicht abschieben, sondern sich ihr stellen wollen. Ganz besondere Achtung verdienen die Grünen, die sich in die Mitverantwortung nehmen lassen, obwohl sie als einzige Partei die Atomkraft stets bekämpft haben.
Freilich ist der gestrige Beschluss noch nicht das Ende, sondern erst der Anfang eines Prozesses, dessen Risiken in seiner Durchführung liegen. Und vor allem in seinem Abschluss. Weil auch künftig niemand den Müll in seiner Nähe wissen möchte, wird es Hauen und Stechen geben, wenn Zwischenschritte zu beschließen sind, für oder gegen bestimmte Gesteinsformationen, für oder gegen bestimmte Suchoptionen.
Die Demonstrationen und Gerichtsklagen werden an Zahl noch zunehmen. Erst recht gilt das, wenn dann irgendwann für einen Standort und damit gegen seine Menschen entschieden werden muss. Der gestrige Schritt war ein kleiner für das Atommüllproblem, aber ein sehr großer für die Parteien. Wird ihr Verantwortungsschwur auch noch bis 2040 halten, wenn das Endlager in Betrieb gehen soll? Niemand überblickt so lange Zeiträume.
Apropos: Gesucht wird laut dem Gesetz ein Atommülllager, das eine Million Jahre hält. Es muss also Tausende von Jahren bewacht werden. Welch eine Vermessenheit jener, die dieses Zeug in die Welt gesetzt haben!
nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort