Neue Spielregeln für alle

Was unterscheidet einen Hausmeister im Generalvikariat von seinem Kollegen im Rathaus? Was macht eine Erzieherin im katholischen Kindergarten anders als ihre Kollegin in der kommunalen Kita? Warum soll der Pfleger im evangelischen Krankenhaus ein anderes Verhältnis zu seinem Arbeitgeber haben als sein Kollege beim privaten Krankenhaus?Die Frage des Streik- und Tarifrechts bei den Kirchen wird um so kniffliger, je weiter man in der Hierarchie nach unten klettert - ganz ähnlich wie die Frage nach der Einhaltung kirchlicher Vorgaben im privaten Bereich. Dass der Pfarrer nicht streiken darf und die Caritas-Direktorin nicht zum zweiten Mal heiraten sollte, lässt sich mit der Vorbildwirkung und dem besonderen Dienstverhältnis sicher noch so begründen, dass es auch Außenstehende irgendwie nachvollziehen können.

Aber je "normaler" die Arbeitswelt, desto plausibler ist auch das Ansinnen der Betroffenen, mit den gleichen Rechten agieren zu können wie andere auch.
In der Pflicht wären also zunächst einmal die Kirchen. Sie müssten nachweisen, dass es zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern anders zugeht als auf dem freien Markt. Dass sie menschlicher sind im Umgang mit ihrem Personal, dass nicht der betriebswirtschaftliche Nutzen ihr Handeln dominiert, sondern die Verantwortung für das Wohl der Arbeitnehmer.
Die Praxis sieht zurzeit eher so aus, dass auch die Kirchen unter dem Druck finanzieller Probleme die ökonomische Seite ihres Handelns immer stärker betonen. Rationalisierung im Krankenhaus, Reduzierung bei der kirchlichen Infrastruktur, Abwälzung von Lasten auf die öffentliche Hand bei den Kitas, Kappen sozialer Einrichtungen: Die Finanzexperten der Bistümer haben längst Maß genommen für das Eindampfen von Kostenfaktoren, und auf ihren Pressekonferenzen klingt immer öfter das Begriffs-Repertoire ihrer Kollegen von den privaten Consulting-Firmen an.
Das muss keine Sünde sein, es entspricht oft lediglich der ökonomischen Vernunft. Aber dann darf man sich nicht wundern, wenn auch die Arbeitnehmer-Seite verlangt, dass nach den üblichen Spielregeln des Wirtschaftslebens gespielt wird.
Zumal man im Gesamtergebnis nicht sagen kann, dass die Mitarbeiter in den letzten Jahrzehnten gut gefahren wären. Pflege und Erziehung: Das sind zwei Bereiche, in denen das Niveau der Bezahlung um Welten hinter den Anforderungen zurückbleibt. Der logische Schluss liegt nahe, dass in Branchen, in denen ein beachtlicher Teil der Arbeitnehmer massiv eingeschränkte Rechte hat, gute Löhne schlecht gedeihen.
d.lintz@volksfreund.de

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