Nicht ohne Kalkül

Bestens ist noch das Foto in Erinnerung, das Karl-Theodor zu Guttenberg von sich kürzlich in New York auf dem Times Square machen ließ - mit ausgebreiteten Armen stand der Wirtschaftsminister da wie eine Showgröße inmitten all der pompösen Leuchtreklamen.

Selbstbewusst, fast schon arrogant. Der Mann traut sich was, schließlich kann einem so ein deplatziertes Glamour-Foto in diesen Krisenzeiten durchaus viel Ungemach bereiten. Noch mehr, als eine nächtliche Drohung, Amt und Würden hinwerfen zu wollen. Nun gut, die öffentliche Schelte des Neulings für das Bild fiel milde aus. Und was das Rücktrittsangebot angeht, sollte man sich nicht gänzlich auf die falsche Fährte führen lassen. Denn im politischen Geschäft läuft nichts ohne Kalkül. Deswegen muss das Gesuch des Polit-Stars nicht nur unter dem Aspekt des Edelmuts aus Überzeugung, sondern auch mal unter taktischen Erwägungen betrachtet werden: Hier bastelt jemand weiter kräftig an seinem öffentlichen Bild, das so aussehen soll: Einer kämpft gegen alle, und er ist bereit, für die Missachtung dessen, was er für richtig hält, die Konsequenz zu ziehen.

Bravo, werden die Bürger jubeln. Der Mann wird gebraucht. Und nur gut, dass die Kanzlerin ihn noch umstimmen konnte! Dabei schert es niemanden, ob der Wirtschaftsminister in der Sache recht hat oder nicht. CSU-Minister Guttenberg stilisiert sich gekonnt zur Ikone der Standhaftigkeit und spielt damit zugleich den Gegenpart zu seinem Parteivorsitzenden Horst Seehofer.

Außerdem: Angela Merkel hätte Guttenbergs Rücktritt nie annehmen können - dann wäre die Union kurz vor der Wahl in kollektive Depression gestürzt. Womit schon viel über einen weiteren taktischen Gesichtspunkt gesagt ist, nämlich den innerparteilichen: Der von der Großen Koalition gebeutelte Wirtschaftsflügel, dem seit Jahren ein Galionsfigur fehlt, feiert Guttenberg inzwischen wie einen ordnungspolitischen Messias. Und darin gefällt er sich immer mehr. Nur: Tadellos ist sein Auftreten, klar sind seine Worte, aber sein Krisenmanagement in der Opel-Frage war mitunter alles andere als glücklich.

Nein, die harten Zeiten für den jungen Minister kommen jetzt erst: Mit Fug und Recht stellen die Karstadt-Beschäftigten die Frage, warum Opel, aber wir nicht? Wäre der Wirtschaftsminister konsequent, müsste er jedes Mal, wenn der Staat in den nächsten Wochen Milliarden in irgendeinen Konzern pumpen wird, aus seinem Amt flüchten wollen. Das wird er nicht tun. Denn die Öffentlichkeit hat ja nun das Bild, das sie von ihm haben soll.

nachrichten.red@volksfreund.de

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