Organisierte Verantwortungslosigkeit

Dass mit dem Projekt Euro Hawk über 550 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden, ist, so zynisch das klingt, nichts Besonderes. Noch bei jedem größeren Rüstungsprojekt der Vergangenheit wurden ähnlich hohe Summen verschleudert.

Oft sogar mehr. Warum also soll es nun ausgerechnet mit Thomas de Maizière den preußischsten aller bisherigen Chefs der Bundeswehr treffen?
Insider sprechen von "organisierter Verantwortungslosigkeit", wenn sie über die Abläufe von großen Beschaffungsvorhaben reden, der Bundesrechnungshof nennt es im Fall Euro Hawk "schweres Organisationsversagen". Das ist der Kern des Problems. Rüstungsprojekte sind sehr speziell. Oft sind es Neuentwicklungen, mit entsprechenden Unwägbarkeiten. Fast immer werden sie mit einer bewusst niedrigen Kalkulation durch den Bundestag gebracht, damit sie überhaupt starten können. Hinzu kommt, dass man die eigene Rüstungsindustrie päppeln will. Geld spielt bei all dem keine Rolle. Das Risiko des Scheiterns trägt allein der Steuerzahler. Außerdem gehört das Geld nicht denen, die es ausgeben, den Beamten im Ministerium. Die internen Zuständigkeiten sind zersplittert, eine effektive Kostenkontrolle und klare Verantwortung fehlt.
All das sind ideale Bedingungen für die Industrie. Denn der Kunde ist nicht nur höchst ausgabewillig, er ist auch erpressbar. Es reicht die Drohung, dass er sonst ganz ohne das begehrte Gerät dasteht, dass die Sicherheit der Soldaten und des Landes gefährdet ist. So lief es seit 2004 unter drei Regierungen und drei Verteidigungsministern auch beim Euro Hawk. Man kann Anlegern eigentlich nur dringend raten, sich Rüstungsaktien zu kaufen. Das Business ist ein Perpetuum mobile des Geldverdienens.
Der Hauptvorwurf der Opposition lautet, dass de Maizière der Geldvernichtung beim Euro Hawk aus Leichtfertigkeit noch monatelang zugesehen habe, obwohl sein Ministerium spätestens seit Anfang 2012 wusste, dass es massive Probleme geben würde. Der Grund, den der Minister für dieses teure Abwarten angibt, ist nicht unplausibel und wird auch vom Bundesrechnungshof geteilt. Man wollte das Projekt retten, man suchte nach Auswegen. Noch heute behaupten ja die Hersteller, dass es Auswege gibt. Es koste halt nur noch mal die Kleinigkeit von 200 Millionen Euro extra. Es ist genau dieser Ablauf, der endlich mal gestoppt werden muss.
Ausgerechnet de Maizière ist der erste Verteidigungsminister, der wenigstens ansatzweise versucht hat, die strukturellen Missstände zu beseitigen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass seine Reformen nicht reichen, um ein so großes Projekt unter Kontrolle zu halten. Er hat ja nicht einmal sein eigenes Haus unter Kontrolle. Für den Merkel-Vertrauten, dessen wichtigstes politisches Kapital es ist, als effizienter Verwaltungschef zu gelten, ist das eine ziemliche Delle. Als möglicher Kanzlerin-Nachfolger rückt er nun zunächst mal zurück auf "Los", wo schon so viele sind. Viel wichtiger als die Frage, wessen Kopf wegen dieses Desasters rollen muss - einer muss es sein -, ist jedoch ohnehin die Frage, wie der Milliarden-Schlendrian in der Rüstungsbeschaffung endlich beendet werden kann. Darauf würde man gern von allen Parteien im Wahlkampf schlüssige Antworten hören.

nachrichten.red@volksfreund.de

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