Realitätsferne Luftnummer

Um jedweder politischen Legendenbildung vorzubeugen: Das Projekt B 50 neu mit der 160 Meter hohen Hochmoselbrücke ist keine rheinland-pfälzische Version von Stuttgart 21. Nicht allein deshalb, weil der Bau des Projekts jenseits einer zahlenmäßig kleinen, aber lautstarken Gegenbewegung anders als in Stuttgart von der breiten Bevölkerung eben nicht abgelehnt wird.

Weiterer gravierender Unterschied: In Baden-Württemberg machen die beiden Koalitionspartner der kommenden Landesregierung das, was sie vor der Wahl versprochen haben; sie wollen das Vorhaben in der ursprünglich geplanten Form nicht umsetzen.

Anders hierzuland. In Rheinland-Pfalz spielt die SPD mit dem Gedanken, wortbrüchig zu werden. Bis zum 27 März verteidigten die Sozialdemokraten das Vorhaben in engem Schulterschluss mit FDP und CDU gegen alle Angriffe der Grünen und der anderen Brückengegner. Die beschimpften Ministerpräsident Kurt Beck und Verkehrsminister Hendrik Hering auf Plakaten sogar als "Kindermörder". Und nun die sozialdemokratische Rolle rückwärts. Die Verhandlungstrategen wollen augenscheinlich mit einem Moratorium inklusive Baustopp dem Koalitionspartner Grüne gefallen. Offensichtlich mit einer Luftnummer. Denn es wird weiter auf zahlreichen Baustellen entlang der Strecke gebaut. Wohl auch deshalb, weil das Verkehrsministerium nach der lautstarken Ankündigung der Parteien vom Dienstag über den Baustopp am Mittwoch zurückruderte. Man wolle bei den Firmen anfragen, ob sie freiwillig und ohne Schadenersatzforderungen einfach so die Arbeit einstellen wollen. Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass Baufirmen des lieben Koalitionsfriedens willen die Arbeiter abziehen? Glaubt jemand, dass die Unternehmen, die einen Zuschlag für ein Projekt erhalten haben, keinen Schadenersatz fordern werden? So realitätsfern kann doch wohl niemand sein.

Ob dieses durchsichtige Manöver mehr als ein Trostpflaster für die bündnisgrünen Seelen ist, ist unwahrscheinlich. Falls nämlich das Land wirklich nicht mehr möchte, dass der Bund das Projekt beendet, sind 90, 150 oder 200 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Dann stehen zahlreiche Brücken nutzlos in der Landschaft und ist Schadenersatz in Millionenhöhe gezahlt worden. Dieser Preis für den Machterhalt dürfte wohl der SPD zu hoch sein. Am Schluss steht wohl ein anderer Kompromiss. Die B 50 neu wird gebaut und dafür wird das Projekt Mittelrheinbrücke gestoppt. Dann hätten beide Koalitionspartner einen Erfolg zu verzeichnen und damit wenigstens halbwegs das Gesicht gewahrt.

h.jansen@volksfreund.de

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