Reiner Aktionismus

Der Schock nach dem Amoklauf von Winnenden, bei dem im März 15 Menschen starben, saß tief: tief genug, um einen heftigen Aufschrei unter Politikern aller Parteien hervorzurufen und eine umgehende Verschärfung des Waffengesetzes auf den Weg zu bringen.

Offenbar aber doch nicht so tief, dass die für eine sinnvolle Umsetzung des Gesetzes notwendigen Schritte bei der Verabschiedung mit bedacht wurden. Schon zuvor hatten Hinterbliebene der Opfer von Winnenden und Kriminalbeamte das Ganze als halbherzigen Schritt kritisiert, weil mit der inzwischen erlaubten unangemeldeten Kontrolle von Besitzern legaler Waffen die Hauptrisiken für Amoktaten nicht ausgeschaltet würden.

Nun stellt sich heraus, dass nicht einmal dieser kleine Schritt in Richtung einer strengeren Kontrolle des Umgangs mit Waffen, umgesetzt werden kann, weil es in den örtlichen Behörden niemanden gibt, der Waffenbesitzer kontrollieren könnte. Das allein wäre schon peinlich genug, aber um Schmäh zur Schmach erweist sich auch der weniger personalintensive Teil des Gesetztes, die Möglichkeit illegale Waffen straffrei bei den Behörden abzugeben, als nahezu wirkungslos. Nicht einmal 40 Waffen, deren Besitzer dafür keine Berechtigung haben, wurden in der Region abgegeben. Die tatsächliche Zahl der der illegalen Pistolen, Revolver und Gewehre in der Region dürfte mit Sicherheit 1000 Mal höher sein.

Fazit: Die Verschärfung des Waffengesetzes ist ein klassicher Schnellschuss und ein weiteres Beispiel dafür, dass die politische Klasse in Berlin bei Ereignissen, die die Nation bewegen, zu Aktionismus neigt. Mit solchen hektischen Versuchen, politische Handlungsfähigkeit zu beweisen, wird nichts erreicht außer die eigene Glaubwürdigkeit zu untergraben. Denn die Gefahr von Amokläufen ist heute um keinen Deut geringer als sie es ohne die Gesetzesänderung gewesen wäre.

l.ross@volksfreund.de

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