Meinung Lewentz geht - was jetzt folgen muss

Roger Lewentz (SPD) tritt zurück. Nach Anne Spiegel (Grüne) ist er der nächste Politiker, der im Zuge der Aufarbeitung der Flutkatastrophe gehen muss. Was nun dennoch im Blick bleiben muss.

RLP-Innenminister Roger Lewentz: Überfälliger Rücktritt - Aufarbeitung Ahrtal notwendig
Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Es hat einige Tage gedauert, war aber überfällig. Roger Lewentz (SPD) hat am Mittwoch seinen Rücktritt als Innenminister erklärt. Zu viele Ungereimtheiten gab es mit Blick auf die Nacht, in der die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz 134 Menschenleben forderte. Gerade in den vergangenen Wochen tauchten Dokumente fast aus dem Nichts auf. Selbst wenn Lewentz von vielem nichts wusste. Die Versäumnisse fallen in seinen Bereich. Es ist richtig, dass er Verantwortung übernimmt und geht.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte, dass es ihr schwergefallen sei, den Rücktritt anzunehmen. Wahrscheinlich stimmt das aus verschiedenen Gründen: Lewentz nahm die Rolle als Minister in Dreyers Regierung an, obwohl er möglicherweise selbst nach Kurt Becks Rücktritt auf diesen Posten spekuliert hatte. Möglicherweise stand Dreyer aber auch deshalb so lange zu ihrem Innenminister, weil sie die Regierung nicht umbilden wollte und sich nun ebenfalls die Frage stellt, wann Lewentz als SPD-Parteivorsitzender geht. Es ist schwer vorstellbar, dass er dieses Amt noch lange behalten wird, turnusgemäß wären hier 2023 wieder Wahlen. Und automatisch rückt bei den Personalrochaden in den Blick, wer nach Dreyer Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident werden soll. Alles Diskussionen, die Dreyer zu diesem Zeitpunkt noch nicht führen wollte.

Doch die vergangenen Tage haben ganz sicher auch bei der Ministerpräsidentin die Gewissheit reifen lassen, dass Lewentz bei der Aufarbeitung der Katastrophe weichen muss. Dass häppchenweise stets neue Dinge bekannt wurden, beschädigte auch das Ansehen der gesamten Landesregierung – und damit Dreyer selbst.

Zumal eines mittlerweile klar ist: Es gab Fehler auch an dieser Stelle – dies räumte Lewentz erstmals selbst ein. Wobei er selbst am Mittwoch noch eine unglückliche Figur abgab. Selbstkritik gab es kaum. Stattdessen begründete der Minister einen Rücktritt auch damit, dass er nicht mehr mit seinen Argumenten durchdringe. Dass diese möglicherweise nicht überzeugend sind oder viele Menschen die Rolle eines Ministers anders sehen, das kam Lewentz nicht in den Sinn. Ebenso paradox ist es, wenn er als weitere Begründung nennt, dass Vertreter der Feuerwehr und der Polizei nicht mehr in für sie ungewohnte und schwierige Situationen kommen sollten. Schließlich war es Lewentz selbst, der vor kurzem in einer Pressekonferenz zwei Polizeipräsidenten praktisch vorführte und sie öffentlich erklären ließ, dass sie für das vorübergehende Verschwinden von Dokumenten zuständig seien. Es waren verzweifelte Versuche, die Kommunikation wieder selbst in die Hand zu nehmen. Überzeugt haben sie aber niemanden mehr und daran ist niemand außer Lewentz selbst schuld. Er war Getriebener der eigenen Versäumnisse. Und es geht, anders als bei den Vorgängen rund um den Nürburgring oder den Verkauf des Flughafens Frankfurt-Hahn in diesem Fall eben nicht mehr nur um Finanzen. Lewentz‘ Aussage, dass er am Abend der Flut keine Katastrophe erkennen konnte, war nach den Bildern und Mitteilungen, die bekannt geworden sind, für die allermeisten Menschen schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar.

Doch nicht nur der Minister hat Fehler gemacht. Und es ist Zeit, dafür im Namen der Landesregierung um Entschuldigung zu bitten. Es wäre keineswegs ein Eingeständnis des kollektiven Versagens, aber doch ein Zeichen, dass die Probleme erkannt worden sind, wenn Malu Dreyer sich entsprechend äußern würde. Die Regierungschefin selbst konnte in dieser Nacht nach allem was bekannt ist, die Situation nicht richtig einschätzen. Doch dass etwa die Kommunikation zwischen Umwelt- und Innenministerium keineswegs perfekt lief, dass Anne Spiegel und Roger Lewentz in den Tagen danach im Blick hatten, wer wann was falsch gemacht hatte und sich ums eigene Bild sorgten, ist etwa nicht zu leugnen. Nicht nur dies muss aufgeklärt werden, obwohl die damalige Umweltministerin nicht mehr im Amt ist und ihren Posten auf Bundesebene aufgegeben hat und obwohl der Innenminister nun ebenfalls zurücktritt.

Mit Respekt vor den vielen Opfern, vor den Menschen, die immer noch unter den Folgen der Katastrophe leiden, ist es wichtig, die Geschehnisse umfassend aufzuarbeiten. Die von Lewentz angeschobene Neuaufstellung des Katastrophenschutzes kann dabei nur ein Anfang sein. Es ist wichtig, dass nun jemand übernimmt, die oder der mit einem offenen Blick anspricht, was war und was künftig besser werden muss. Das hat sich auch mit Lewentz‘ Abgang nicht verändert.

t.roth@volksfreund.de

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