Russland, der Westen und die Wahrheit

Was ist Dichtung, wo beginnt die Propaganda und wie viel Wahrheit steckt in den täglichen Verlautbarungen aus Moskau, Kiew, Berlin oder Brüssel? Ein paar Wahrheiten gilt es in diesem Durcheinander festzuhalten. Wladimir Putin hat das Völkerrecht gebrochen und die Krim annektiert.

Er beliefert Rebellen mit Waffen, die einen Teil der selbstständigen Ukraine abtrennen und Russland einverleiben wollen. Putin gießt permanent Öl ins Feuer, ist an einer friedlichen Lösung nicht wirklich interessiert. Dieser angeblich so lupenreine Demokrat macht nicht nur seit Jahren aus Russland wieder ein rechtloses Land, sondern denkt auch wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Für ihn ging und geht es um Macht, um Einflusssphären Moskaus, um seinen Traum vom eurasischen Riesenreich unter russischer Führung. Und dazu gehört für ihn ganz selbstverständlich die Ukraine.
Für dieses Ziel geht Wladimir Putin ein hohes Risiko ein. Internationale Isolation, Wirtschaftssanktionen, das Ausbleiben von Investitionen, all diese Maßnahmen des Westens haben ihn bisher nicht zur Vernunft gebracht.
Außer immer neuen, verlogenen Beteuerungen, man liefere den Rebellen in der Ostukraine keine Waffen und sei schon gar nicht mit eigenen Soldaten aktiv, kommt bisher nichts Substanzielles aus dem Kreml.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass in Kiew Stümper an der Macht sind, die von einer Peinlichkeit in die nächste stolpern. Wo politisch wie militärisch Spitzenpersonal vonnöten wäre, regieren Amateure, denen in Zeiten der Existenznot des eigenen Staates nichts anderes einfällt, als das Parlament aufzulösen und Neuwahlen zu verordnen.
Und der Westen? Er hat sich bisher redlich bemüht, vor allem auch die deutsche Regierung. Das lässt sich nicht leugnen. Allerdings ohne jeden sichtbaren Erfolg.
Die Krise müsse politisch gelöst werden. Ein militärisches Eingreifen sei keine Option, heißt es aus den westlichen Hauptstädten unisono. Das hören wir alle gern und sind dann erst einmal beruhigt. Aber was tut der Westen denn, wenn Putin nicht nur mit einigen Fahrzeugen und ein paar Hundert Soldaten in die Ostukraine einmarschiert, sondern ganz offen zuschlägt mit der Begründung, er müsse russische Bürger schützen? Abschließend lässt er kurzerhand eine Volksabstimmung inszenieren, mit krimschem Ergebnis versteht sich. Und dann ab mit diesem Teil der Ukraine zu Väterchen Russland! Was tun wir dann? Zuschauen, abwarten, weiterverhandeln, als sei nichts passiert?
Spätestens jetzt müsste den Verantwortlichen klar werden, was dem Westen fehlt. Es gibt weder eine abgestimmte Außenpolitik, noch eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Es gibt noch nicht einmal eine wirkliche Nato-Strategie für Fälle wie diesen. Was wir bräuchten, wären die Vereinigten Staaten von Europa mit einer gemeinsamen Außen, - Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Stattdessen krankt dieses für uns alle so existenzielle Thema an nationalen Egoismen, kleinlichem Gezänk und Europamüdigkeit.
Und was tut in dieser Situation die Weltmacht Amerika? Sie zeigt nicht die geringste Lust, sich über die reine Gesichtswahrung hinaus auf dem alten Kontinent zu engagieren.
Der Herrscher im Kreml weiß all das nur zu gut. Und er nutzt diese Situation gnadenlos aus. Wie weit wird er am Ende gehen?
Niemand weiß es wirklich, und auch deshalb ist diese Krise so unglaublich gefährlich.
d.schwickerath@volksfreund.de

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