Schluss mit Finanzmarkt-Privilegien

Geht doch: Nach zwei Wochen Bundespräsidenten-Tollhaus scheinen die Deutschen es zu schaffen, sich wieder einmal einem wirklich relevanten Thema zuzuwenden. Nicht nur deshalb muss man der Kanzlerin danken: Mit der neuen Linie in Sachen Finanztransaktionssteuer liegt Angela Merkel absolut richtig.

Egal, ob das nun ihrer späten Einsicht zu verdanken ist oder dem unergründlichen Charme ihres französischen Kollegen.
Eine solche Abgabe wäre keine Sonderbelastung für die Finanzmärkte, im Gegenteil: Sie wäre die Herstellung von Normalität. Nahezu jede Transaktion, jede Dienstleistung, jede Bewegung in unserem Land wird steuerlich abgeschöpft. Es ist unglaublich, welche Findigkeit die öffentliche Hand entwickelt hat, um allüberall ihren Anteil abzuzapfen.
Nur da, wo richtig Geld verdient wird, an den Finanzmärkten, ist man geradezu märchenhaft kulant. Eine Steuerpolitik, die übrigens nicht CDU und FDP auf die Spitze getrieben haben, sondern die rotgrüne Schröder-Regierung. Das ist den Bürgern nach den Finanzmarkt-krisen nicht mehr zu vermitteln. Sie warten schon lange darauf, dass die Politik Ernst macht mit der versprochenen Regulierung. Eine Abgabe wäre da zumindest ein bescheidener Schritt.
Es geht aber auch um Grundsätzliches. Ein Staat, der das Geldverdienen durch Spekulation besser behandelt als das Geldverdienen durch engagierte Arbeit und unternehmerisches Geschick, setzt falsche Akzente. In letzter Konsequenz ist das eine Art staatlicher Glücksspielförderung - nur dass die Zockerei hier zu Lasten aller geht. Und sie wird oft erst durch die freundliche steuerliche Behandlung attraktiv. Eine Abgabe würde also auch helfen, die ärgste Blasenbildung zu verhindern.
Weil das eigentlich allen Beteiligten klar ist, traut sich auch schon lange niemand mehr, offensiv für die Privilegierung von Finanztransaktionen einzutreten. Nicht einmal die FDP.
Stattdessen verschanzt man sich hinter der Forderung, alle Europäer müssten mitmachen. Das heißt konkret: Man überlässt London die Entscheidung über die europäische Steuerpolitik. Aus dieser starken Position können die Briten fröhlich weiter blockieren. Wer also "nicht ohne England" sagt, sollte so ehrlich sein, zu sagen, dass es mit ihm keine Finanztransaktionssteuer geben wird. Wenn die FDP daraus tatsächlich die Sollbruchstelle der Koalition machen würde, wäre ihr Untergang besiegelt.
Was die Briten tatsächlich tun, wenn Euro-Land die Abgabe einführt, steht eh auf einem anderen Blatt. Vielleicht steigen sie schneller zu, als man denkt. Und die klammen USA womöglich auch. Und wenn nicht? Dann muss die Steuer so intelligent konzipiert sein, dass sie den Einstreicher von Transaktions-gewinnen dort erwischt, wo er wohnt, und nicht dort, wo er handelt. Da wäre die Findigkeit unserer Steuergesetzemacher mal sinnvoll eingesetzt.
d.lintz@volksfreund.de

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