Schöne Zahlen mit Fragezeichen

Trier · Auf den ersten Blick machen die Zahlen, die uns Deutschlands Steuerexperten in den nächsten Tagen im Detail präsentieren wollen, einen vielversprechenden Eindruck: Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen werden 2012 auf einen Höchststand klettern. Noch nie nahm der Fiskus so viel Geld ein wie in diesem Jahr.


Die Botschaft hinter diesen Rekordzahlen: Den Unternehmern und Bürgern im Land muss es überwiegend gutgehen. Wenn Gewinne und Einkommen stimmen, profitieren davon die öffentlichen Haushalte, weil das Lohn- und Körperschaftssteueraufkommen wächst.
Theoretisch könnte der Staat jetzt dank gut gefüllter Kassen die Steuern senken oder die Ausgaben, etwa für Straßen, Schulen oder Kindergärten, erhöhen.
Entsprechende Forderungen von politischer Seite liegen schon auf dem Tisch, seit absehbar ist, wie sich die Steuereinnahmen in diesem Jahr entwickeln werden.
Im nächsten Jahr wird zudem im Bund sowie in drei Bundesländern gewählt. Die Versuchung der Regierenden, die Bürger mit wohldosierten Wahlgeschenken zu überraschen, dürfte somit ähnlich zunehmen wie das Steueraufkommen. Die richtige Konsequenz aus den gegenwärtig sprudelnden Einnahmen wäre allerdings eine andere: Statt Ausgaben zu erhöhen oder Steuern zu senken, müssen vor allem Bund und Länder endlich ihre Neuverschuldung zurückfahren. Klappt dies schneller als geplant - eine Schuldenbremse ist inzwischen überall fxiert - ist dies umso besser. Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein liberaler Kabinettskollege Philipp Rösler haben angekündigt, dass der Bund schon im nächsten oder übernächsten Jahr und damit früher als geplant einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könnte. Es wäre der erste seit mehreren Jahrzehnten.
Dass sie recht behalten, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn die Anzeichen mehren sich, dass auch das im Vergleich zu anderen EU-Ländern bislang wirtschaftlich so erfolgreiche Deutschland demnächst von einem Konjunkturabschwung erfasst werden könnte.
Sollte dies der Fall sein, sind die für einen Zeitraum von fünf Jahren gemachten Schätzungen der Steuerexperten rasch wieder Makulatur.
Und dann könnte schon die nächste Schätzung im Frühjahr deutlich schlechter ausfallen als die jetzige.
r.seydewitz@volksfreund.de

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