Schrottreaktoren abschalten!

Man weiß gar nicht, was einen mehr ärgern soll: Die Tatsache, dass die Haftungssumme für die französischen Atomkraftwerke, damit auch für Cattenom, mit 700 Millionen Euro lächerlich gering ist. Oder die Erkenntnis, dass die französische Atomaufsicht es nicht für nötig hält, Störfälle, von denen es ja in Cattenom und in Fessenheim im Elsass in den vergangenen Jahren bis heute jede Menge gegeben hat, den jeweiligen Reaktoren zuzuordnen.

Stattdessen spricht die Behörde davon, dass sich die Störfälle gleichmäßig über alle Blöcke der Anlagen verteilen. Nicht gerade beruhigend.

Beide Tatsachen zeigen den Umgang unserer Nachbarn mit der Kernkraft. Fünf Jahre nach Fukushima gibt es dort noch immer keinen Zweifel am billig produzierten Strom aus Atom. Sie halten die Technik für sicher und beherrschbar. Warum sonst liegt die Entschädigungssumme deutlich unter der in Deutschland üblichen. Hierzulande stellen die Betreiber der Atomkraftwerke über zwei Milliarden Euro bereit, um Opfer von Nuklearkatastrophen zu entschädigen.
Fukushima hat in Frankreich - anders als in Deutschland - zu keinem Umdenken geführt.

Obwohl Frankreichs Präsident François Hollande vor seiner Wahl 2012 versprochen hat, die Uralt-Meiler wie Fessenheim vom Netz zu nehmen, laufen weiterhin alle 58 Atomkraftwerke jenseits der Grenze. Selbst nachdem bekannt geworden ist, dass es bei einem (bislang vertuschten) Zwischenfall vor fast zwei Jahren in dem altersschwachen Kraftwerk im Elsass fast zu einer Kernschmelze gekommen ist, hat man sich zwei Tage darüber gestritten, die Anlage bis Ende des Jahres abzuschalten. Doch das ist nun wohl auch wieder vom Tisch.

In Cattenom bereitet man sich sogar darauf vor, weitere 30 Jahre Strom mit den vier Pannenreaktoren an der Mosel zu produzieren. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Atomstrom ist billig.

Das sieht man auch in Belgien. Trotz ständiger Pannen in den beiden völlig überalterten Meilern in Tihange und Doel hält man auch dort an der Kernkraft fest. Proteste und Klagen prallen an den Verantwortlichen in Belgien ebenso ab wie die ständig wiederholten Appelle und Forderungen nach Abschaltung von Cattenom in Frankreich.

Deutschland kann und darf sich das nicht länger gefallen lassen, dass vor allem die hiesige Region von gefährlichen Schrott reaktoren umzingelt ist. Statt sich immer nur darauf zurückzuziehen, dass Atomenergie nationale Aufgabe ist, in die sich andere Länder nicht einmischen dürfen, muss die Bundesregierung endlich darauf drängen, dass es zu einem EU-Gipfel zum Thema Atomkraft kommt.

Europa - und vor allem unsere Region - braucht endlich verbindliche Sicherheitsvorgaben für den Betrieb von Atomkraftwerken. Anlagen, die diese nicht erfüllen können, müssen dann abgeschaltet werden. Und zwar sofort.
b.wientjes@volksfreund.de
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