Soziale Schieflage

Der Ausgang des griechischen Dramas bleibt auch nach den Sparbeschlüssen Athens offen. Ob Politiker, Wirtschaftexperten, europäische Institutionen oder die vielgescholtenen Banken - sie alle können, wenn sie ehrlich sind, nur orakeln.


Entscheidend für die kommenden Jahre wird die Antwort auf diese Frage sein: Haben die EU, die Regierung in Athen und die aufgebrachte Bevölkerung die Kraft, alte Fehler künftig zu vermeiden? Der hoch brisante Treibsatz des Debakels besteht aus drei Bestandteilen. Erstens: unverdrossenes Schuldenmachen seitens der Regierung bei gleichzeitiger Lässigkeit beim Eintreiben fälliger Steuern. Den Konservativen wie auch den Sozialisten war kein Statistiktrick zu dreist, die Horrorzahlen des Haushalts wegzufrisieren.
Zweitens: die Mentalität eines Teils der Bevölkerung, der die alltägliche Korruption und die Sozialkassen-Abzocke als Kavaliersdelikte akzeptierte. Im üppig besoldeten Staatsdienst ließ es sich bis zum Vorabend der Krise wohnlich einrichten.
Drittens: Ignoranz und fehlende Kontrolle der EU. Brüssel drückte trotz fehlender Einhaltung von Stabilitätskriterien jahrelang alle Augen zu. Dass Griechenlands Beitritt zur Euro-Zone formal nur aufgrund geschönter Zahlen erfolgte, bestreitet mittlerweile niemand mehr. Die Entschärfung der Situation ist brenzlig. Gefahr droht durch eine ungerechte Verteilung von Lasten innerhalb der Gesellschaft. Für dieses Jahr sieht der Sparplan von Ministerpräsident Lucas Papademos schmerzhafte Einschnitte vor: Die Mindestlöhne werden um 22 Prozent gekappt, 15 000 Stellen im aufgeblähten Staatsapparat abgebaut und die zahlreichen Zusatzrenten um 15 Prozent beschnitten - keine guten Vorzeichen für die Binnenkonjunktur.
Weil die Europäische Union Athen die Pistole auf die Brust setzte, hat Papademos zügig Einschnitte zulasten der Bevölkerung beschlossen.
Nun droht erneut eine Schieflage. Der Aufbau effizienter Finanzbehörden im Land steht noch aus. Und in welchem Ausmaß der Staat wohlhabende Freiberufler und Unternehmer für die langfristige Sanierung seiner Finanzen heranziehen will, ist offen.
Der ökonomische Absturz Argentiniens in den 90er Jahren muss Athen ein warnendes Beispiel sein. Infolge rigoroser Sparmaßnahmen, ähnlich der jetzt in Griechenland beschlossenen, brach die Wirtschaft ein, die Arbeitslosigkeit stieg massiv. Bis hinein in den Mittelstand machte sich Elend breit, soziale Unruhen brachen aus. Wirrungen, unter denen das Land strukturell bis heute leidet.

Griechenland hat einen Teil dieses Weges schon beschritten.
r.jakobs@volksfreund.de

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