Taktisch gewählt wie noch nie

Die Niedersachsen-Wahl ist für Angela Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition trotz der Zitterpartie um die Mehrheit ein ziemlich guter Start ins Wahljahr geworden. Nicht wegen der reinen Zahlen, da sieht es eher schlecht aus.

Christdemokraten und Liberale haben zusammen viele Stimmen verloren. Aber, und das zählt, als es ernst wurde, waren die Wähler beider Parteien ungeheuer mobilisiert, motiviert und diszipliniert.
In einem nie da gewesenen Maße haben die bürgerlichen Wähler taktisch gewählt und durch Stimmensplitting dafür gesorgt, dass die schon fast tote FDP wieder in den Landtag einziehen kann.
Das wird im Bund kaum anders sein, wo die FDP traditionell sowieso stärker abschneidet. Selbst die Streitereien in der Bundespartei haben die Niedersachsen nicht abgeschreckt. Freilich, die FDP-Führungsspitze sollte das Signal nicht missverstehen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Philipp Rösler ist gestärkt, er hat im innerparteilichen Machtkampf für den Moment gewonnen. Der aber geht weiter, wenn nicht Rainer Brüderle, der heimliche Herd aller Unruhen, sich jetzt endlich in ein Führungsteam einfügt.
Die SPD hat ganz im Gegensatz zur Union ein Mobilisierungs- und Motivierungsproblem, das ihr in der Schlussphase noch einen dramatischen Zustimmungsknick beschert hat. Und das lag in diesem Fall nicht an Stephan Weil, der kein überragender, aber ein bodenständiger Kandidat war. Es lag an Peer Steinbrück.
Der Kanzlerkandidat kommt als Person nicht an, er demobilisiert Mitglieder und Wähler. Seit er vorne steht, ging es für die SPD in Niedersachsen bergab. Auf die Sozialdemokraten kommt jetzt eine schwierige Denksportaufgabe zu: Wechselt man das Pferd jetzt noch, was ein hohes Risiko bedeutet? Ist da überhaupt jemand, der es besser könnte? Oder sagt man: Augen zu und durch?
Es ist freilich keinerlei Mechanismus und kein Thema erkennbar, mit dem die SPD mehr in die Offensive kommen könnte, weder mit noch ohne Steinbrück. Hinzu kommt: Im Bund werden zwar wie in Niedersachsen vielleicht die Piraten unterhalb der Fünf-Prozent-Grenze verschwinden, die Linken aber sicher nicht. Dort ist ein rot-grüner Wechsel viel weiter weg, anders als in Niedersachsen. Die Grünen werden, wenn dieser dramatische Wahltag verdaut ist, darüber nachzudenken haben, ob sie diesem Sachverhalt wie ein gut gefüttertes (Bio)-Schlachthuhn tatenlos zusehen wollen oder nicht doch über Koalitionsalternativen nachdenken.
nachrichten.red@volksfreund.de

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