MEINUNG Wie gefährlich ist Deutschland?
Sind Ängste berechtigt oder nicht? Vor allem sind sie oft eines: nicht leicht gegeneinander aufzuwiegen. Ein Blick auf die Risikoforschung und die Gefahren des Lebens.
Die größten Risiken für uns Deutsche sind Rauchen, Alkohol, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel. Von „Volkskillern“ sprach in dieser Woche Ortwin Renn im Interview mit unserer Zeitung. Der Risikoforscher veröffentlichte vor kurzem ein Buch, und alleine dessen Titel „Das Risiko-Paradox – Warum wir uns vor dem Falschen fürchten“ sorgte für Diskussion bei unseren Lesern.
Vor allem, weil Renn die Ängste vor Terrorismus in Deutschland für übertrieben hält. Zugegeben: Er hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es sehr unwahrscheinlich ist, in Deutschland Opfer einer Gewalttat zu werden. Andererseits: Was hilft das der oder dem einen, der doch Opfer wird? Und hilft ein Blick auf die Statistik, bei uns Ängste abzubauen? Das vielleicht nicht, dennoch ist die Einordnung solcher Risiken angebracht – so lange eben nicht sprichwörtlich Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Und solange die Folgen aus solchen Statistiken und Überlegungen mit Bedacht gezogen werden. Sollten wir etwa ab sofort die Sicherheitskräfte, die mögliche Attentäter überwachen, abziehen, weil die meisten doch nie zuschlagen? Sollten wir ab sofort immer mehr Geld ins Gesundheitssystem stecken?
Das fordert selbst Renn nicht, der immer wieder bewusst zuspitzt. Zumal Ängste immer etwas Subjektives sind. Wer kleine Kinder hat, mag noch so oft erklären, dass im dunklen Keller nichts Schlimmes wartet. Und doch bleibt bei den meisten Jungen und Mädchen ein mulmiges Gefühl, wenn sie dann doch alleine in die Finsternis sollen. Nachvollziehbar: Denn im Dunkeln ist jeder unsicherer unterwegs. Er oder sie weiß nicht, was hinter der nächsten Ecke wartet.
Und wie ist es mit der Angst vor Kriminalität, vor Terror, vor Attentätern? Hier gibt es für uns ebenfalls gefühlt dunkle Wissensecken, die Raum für Spekulation und Mutmaßung bieten. Und es gibt Taten, die uns emotional besonders berühren? Weil wir die Orte kennen, weil wir denken, auch wir hätten betroffen sein können können. Ein Attentat in Paris oder Berlin löst deshalb bei uns mehr Ängste aus als ein Anschlag in Kabul.
Ein Blick auf die Zahl solcher Taten in Deutschland ist daher notwendig, vor allem aber auf gefährliche Orte und auch auf den möglichen Täterkreis – alleine, um etwa Polizei und Sicherheitskräfte richtig einzusetzen. Verharmlosen wir damit etwas? Ganz sicher nicht. Jeder schätzt Risiken selbst ein, jeder entscheidet etwa, wohin er reist und wohin nicht. In diesem Sinne: Genießen Sie Ihr Wochenende und bleiben Sie gesund!
t.roth@volksfreund.de