Tierschutz light ist besser als nichts

Seit kurzem bieten große Supermarktketten Schweine- und Hühnerfleisch an, das von Tierschutzvereinen zertifiziert wurde. Die Tiere haben mehr Platz, sie haben mehr Beschäftigung und sie werden artgerechter gehalten.

Allerdings kommt das Fleisch keineswegs vom idyllischen Biobauernhof um die Ecke. Es kommt aus den gleichen Megaställen, die die industrielle Fleischwirtschaft in Verruf gebracht haben.
Darunter auch Ställe des Konzerns Wiesenhof, der immer wieder mit Bildern zu Tode gequälter Tiere Schlagzeilen gemacht hat, die jedem normal fühlenden Menschen den Appetit verderben.

Kein Wunder, dass es auch Kritik am neuen Siegel gibt. Vegetarier und Veganer sind empört. Denn sie finden, dass Tierschutz und Tiertötung sich ohnehin nicht unter einen Hut bringen lassen.

Biobauern schmeckt das neue Label auch nicht. Ihnen gehen zum einen die Tierschutz-Kriterien nicht weit genug.Vor allem nicht in der Einstiegsstufe, die den Tieren keinen Auslauf gewährt und immer noch bis zu 30 000 Hühner in einem Stall ermöglicht.

Zum anderen haben sie aber auch die Sorge, dass der Verbraucher statt zu Bio künftig zum günstigeren Tierschutz-Fleisch greifen könnte, das in Plastik abgepackt in den Kühlregalen der großen Supermärkte liegt. Und sie fürchten, dass so das Ende der kleinen Bauernhöfe, Metzger und Bioläden ein Stück näher rückt. Andere gehen davon aus, dass Verbraucher unter dem Deckmantel des guten Gewissens nun öfter zu Fleisch greifen. Obwohl doch inzwischen jedes Kind weiß, wie schlecht das für die Gesundheit, das Klima und die Umwelt ist. Und naja, auch für die Tiere, die dabei ihr Leben lassen.

Fest steht: Die neuen Label sind nichts für Idealisten. Dennoch ist es gut, dass es sie nun gibt. Denn während die Bundesregierung das industrialisierte Tierleiden weiter toleriert, bieten die Zertifikate eine pragmatische Lösung. Sie holen den fleischessenden Verbraucher, der sich Bioprodukte nicht leisten kann oder will, da ab, wo er steht: vor einer Kühltruhe, die ihm bisher überhaupt nicht die Wahl gelassen hat, sich für mehr Tierschutz zu entscheiden. Und sie verbessern gleichzeitig die Lebensbedingungen von Millionen Tieren. Sofort. Nicht irgendwann. Das ist besser als nichts. Und es ist ausbaufähig.

k.hammermann@volksfreund.de

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