Tricksen und Anbiedern nützt nichts

Fast könnten sie einem leidtun, die Parteien, die keiner mehr haben will. Die Mitglieder laufen weg, die Wähler bleiben zu Hause, das Ansehen ist im Eimer.

Und der Sprung ins Internet-Zeitalter scheitert kläglich.
Mit Partei assoziiert man den Ortsvereinskassierer, den Karrierebeamten, der fürs Fortkommen das richtige Parteibuch braucht, oder den Opportunisten, der fürs Regierungsamt jedes Prinzip über die Wupper gehen lässt. Ein miserables Image, das sich die Parteien zumindest teilweise redlich verdient haben. Oft sind sie nur Vereinigungen zur wechselseitigen Ämterbeschaffung - was daran liegt, dass einem ordentlichen Parteisoldaten selbst der inkompetenteste Parteifreund in jeglichem Amt lieber ist als ein Feind von der anderen Fraktion oder ein Unzuverlässiger ohne Parteibuch. Machterhalt ist oberstes Prinzip, Wahlkämpfe sind Feldzüge, und entscheidend ist, nachher zumindest mitregieren zu können.
Denn "Opposition ist Mist", wie es einst Franz Müntefering für die ganze Branche formulierte. Ein blöder Satz. Opposition ist nötig, wenn es Mehrheiten für die eigene Position aktuell nicht gibt. Aber statt für diese Mehrheiten zu werben, passen Parteien ihre Programme der vermuteten Stimmungslage an. So sind sie untereinander inhaltlich immer gleicher und menschlich immer fremder geworden. Je weniger Substanz, desto lauter das Getöse. Im Grundgesetz steht aber: "Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit". Da steht weder "Die Parteien nehmen dem Volk die Willensbildung ab" noch "Die Parteien übernehmen den Willen des Volkes". Die Verfassung fordert Mut und Ideen, keine Demoskopie-Hörigkeit.
Gehören die Parteien also in die Mottenkiste des Geschichte? Das Problem ist, dass wir sie noch brauchen. Denn die Akzeptanz und Stabilität unseres politischen Systems hängt damit zusammen, dass die Bürger ihnen die Lösung von Problemen noch irgendwie zutrauen.
Aber dafür wird es wenig nützen, herumzutricksen. Sich neuen Kommunikationsformen billig anzubiedern. Die Partei bei Entscheidungsprozessen scheinbar zu öffnen - und trotzdem alles Wesentliche wie bisher auszukungeln. Parteitage zur Show auszubauen. Wir sind nicht Amerika.
Worauf es ankäme, wäre: sich ehrlich zu machen. Den Bürgern die Wahrheit zu sagen, auch wenn es wehtut. Konzepte zu entwickeln, die weiter reichen als bis zum Ende der Legislaturperiode. Personalentscheidungen nach Kompetenz zu treffen und nicht nach Parteibuch. Und, auch wenn es schrecklich altmodisch klingt: Das Allgemeinwohl nicht mit dem der Partei zu verwechseln. Erst wenn dieser inhaltliche Wandel glaubhaft rüberkommt, hat es Sinn, über neue Formen zu reden.
d.lintz@volksfreund.de

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