Trotz der Finanznot: Schilda lässt grüßen

Trotz notorischer Finanznot gehen Bund und Länder immer noch viel zu sorglos mit dem Geld der Steuerzahler um. Nach Angaben des Bundesrechnungshofes wurde im Vorjahr mindestens eine Milliarde Euro unnütz verpulvert, weil die öffentliche Hand das Prinzip der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit missachtete.

Berlin. In der gestern veröffentlichten Bilanz der Rechnungsprüfer finden sich wieder besonders krasse Beispiele für den sorglosen Umgang mit den Steuergroschen. Nachfolgend eine Auswahl.

Verschenkte Einnahmen: Die Rechnungsprüfer fanden heraus, dass dem Bund in den vergangenen drei Jahren Steuereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe verloren gegangen sind, weil das Bundeszentralamt für Steuern bei den Angaben ausländischer Investmentfonds lediglich auf eine Prüfquote von 0,1 Prozent kommt. Die Angaben der Fonds sind die Grundlage für die Besteuerung der deutschen Anleger dieser Fonds.

Grotesker Übereifer: Während bei großen Beträgen Nachlässigkeit herrscht, scheinen es die Behörden bei vergleichsweise kleinen Summen zu übertreiben. So hat etwa die Zollverwaltung beim Internet-Bezug von Kaffee aus anderen EU-Staaten massenhaft Besteuerungs- und Strafverfahren initiiert, die in keinem Verhältnis zum Nutzen standen. In einem Verfahren gegen 4000 Einzelpersonen betrug die eingetriebene Kaffeesteuer insgesamt 25 000 Euro. Dafür entstanden der Behörde aber Personalkosten in Höhe von 800 000 Euro - Schilda lässt grüßen.

Überflüssige Ausgaben: Zu den schwarzen Schafen zählt hier das Bundesumweltministerium, das für seinen Berliner Dienstsitz als "ökologisches Modellvorhaben" einen denkmalgeschützen Altbau saniert und einen Neubau errichtet. Dazu wird der Innenhof des Altbaus mit einem Glasdach überspannt. Für angenehme Temperaturen sorgen eine Kühlung des Raumes im Sommer und eine Beheizung im Winter. "Trotz der damit verbundenen hohen Kosten und des unökologischen Betriebes war das Ministerium nicht bereit, hierauf zu verzichten", rügte Rechnungshof-Präsident Dieter Engels. Für die Büroräume im Neubau ist ebenfalls eine aufwendige Kühlung vorgesehen. Und das entgegen den Empfehlungen eines externen Gutachters, wie der Prüfbericht vermerkt.

Überteuerter Föderalismus: Ausgerechnet Schleswig-Holstein, das derzeit beim Bund auf einen finanziellen Ausgleich für die geplanten Steuersenkungen pocht, hat eben diesen Bund beim Straßenbau über den Tisch gezogen. Im konkreten Fall geht es um einen verbindlichen Verfügungsrahmen des Bundes, in welcher Höhe er dem Land Mittel für den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen gewährt. Doch Schleswig-Holstein hat im Alleingang Bauverträge abgeschlossen, die den Verfügungsrahmen vorsätzlich um 77 Millionen Euro überschritten. Am Ende musste der Bund dafür geradestehen, da er über das Land vertraglich gegenüber den Straßenbauunternehmen gebunden war.

Spitzenbezüge für Kassenchefs: Seit zwei Jahren prüft der Bundesrechnungshof auch den Bereich der Sozialverwaltung. Ein Stein des Anstoßes sind die Vorstandsgehälter in den gesetzlichen Krankenkassen, die die Empfehlungen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände "mittlerweile sehr deutlich" übersteigen. Demnach dürfte ein Kassenchef maximal 130 000 Euro im Jahr verdienen. Bei 90 Prozent der Führungskräfte lägen sie jedoch darüber, bemängeln die Rechnungsprüfer. Nach einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger lag der Chef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, im Vorjahr mit 295 781,18 Euro an der Spitze der Gehaltsskala. Seine Amtskollegen von der DAK und der Barmer kamen auf immerhin 231 354 und 198 440 Euro - finanziert durch die Beiträge der Versicherten.

Millionenverschwendung im Vorfeld verhindert



Die zum Teil haarsträubenden Vorfälle sind nach Ansicht von Engels aber kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Schließlich gingen die meisten der jährlich etwa 1500 Prüfverfahren "einvernehmlich" aus.

Und manchmal spielt der Bundesrechnungshof dabei sogar eine präventive Rolle. So konnte er zum Beispiel verhindern, dass die Bundeswehr 19 Millionen Euro in eine Liegenschaft investierte, die sie am Ende gar nicht mehr gebraucht hat.

"Insgesamt bin ich gar nicht unzufrieden mit der Umsetzung unserer Empfehlungen", sagte Engels.

Krankhaft hoch

Die internationale Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, hat es gerade erst wieder schwarz auf weiß bestätigt: Deutschland verfügt über ein leistungsfähiges Gesundheitswesen, das aber an zu hohen Kosten, nicht zuletzt auch im Verwaltungsbereich, krankt. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Befund des Bundesrechnungshofs noch mehr an Brisanz: Es darf nicht sein, dass sich viele Chefs gesetzlicher Krankenkassen eine goldene Nase verdienen, während die Versicherten demnächst für ihre Gesundheitsleistungen tiefer in die Tasche greifen müssen. Gewiss, gute Arbeit soll auch ordentlich vergütet werden. Doch anders als bei einem privaten Unternehmen leben die gesetzlichen Kassen von den Beiträgen ihre Mitglieder. Außerdem ist das vom Bundesrechnungshof für vertretbar gehaltene Jahres-Salär von 130 000 Euro auch nicht gerade ein Pappenstiel. So kann man sich nur wundern, dass das FDP-geführte Gesundheitsministerium keinen gesetzlichen Handlungsbedarf sieht, um den Traumgehältern in den Vorstandsetagen der Kassen Einhalt zu gebieten. Und das in Zeiten, da sogar eine politisch verordnete Begrenzung von Managergehältern in der Bankenwelt salonfähig geworden ist. Warum also gerade die öffentlichen Krankenkassen außen vor lassen? Das Mindeste wäre, die Krankenkassen dazu zu verpflichten, Gehalt und Nebenleistungen ihres Spitzenpersonals vollständig und in vergleichbaren Kategorien zu veröffentlichen. So hätte der Versicherte wenigstens die Möglichkeit, seine Kasse zu wechseln, wenn ihm die Vergütung krankhaft hoch erscheint. nachrichten.red@volksfreund.de

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