Überbezahlt sind andere

Das Thema ist bestens geeignet, um es an den Stammtischen der Republik lautstark auf den Punkt zu bringen: Uns kleinen Leuten ziehen die Politiker das ohnehin wenige Geld aus der Tasche, und sich selbst genehmigen die Damen und Herren am Kabinettstisch mal wieder einen kräftigen finanziellen Zusatzschluck aus der Pulle. Um knapp sechs Prozent wird in den kommenden anderthalb Jahren das Gehalt von Kanzlerin, Ministern und Staatssekretären erhöht.

Frau Merkel verdient dann künftig inklusive Abgeordnetendiät rund 25.000 Euro monatlich, macht rund 300.000 Euro brutto im Jahr. Ein Einkommen, von dem wir Otto Normalverdiener nur träumen können.

Aber sind die Kanzlerin und mit ihr ihre Kabinettskollegen deshalb überbezahlt? Nein.

Politiker haben eine hohe Verantwortung, und der Arbeitsaufwand ist gewaltig. Daneben stehen sie quasi rund um die Uhr im Fokus der Öffentlichkeit, werden - auch von den Medien - oft kritisiert und selten gelobt. Gewiss: ein selbst gewähltes Schicksal, aber nicht unbedingt ein beneidenswertes, wie das aktuelle Beispiel von Ex-Umweltminister und Ex-CDU-Landeschef Norbert Röttgen zeigt.

Wer will, dass gute Leute in die Politik gehen und auch am Kabinettstisch sitzen, muss sie ordentlich bezahlen. Zwischen dem, was in der Wirtschaft Top-Leuten bezahlt wird, und dem Lohn der Spitzenpolitiker klaffen Welten. Da ist es nur verständlich, wenn so mancher Volksvertreter nach einigen Jahren die Seiten wechselt und in die Wirtschaft geht.

Diese Einkommensunterschiede wird es weiter geben, trotz der jetzt vom Kabinett abgesegneten ersten größeren Gehaltserhöhung seit zwölf Jahren. In der Zwischenzeit sind die Vorstandsgehälter der deutschen Dax-Unternehmen vergleichsweise explodiert.

Wer sich an Stammtischen über überzogene Löhne aufregt, sollte zunächst einmal die Millionengehälter mancher Wirtschaftsführer, Popstars oder Top-Fußballer ins Visier nehmen. Gemessen daran sind unsere Politiker schlecht bezahlt, auch wenn die meisten Deutschen deutlich weniger verdienen.

r.seydewitz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort