Urteil mit Sprengkraft

Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zu den Anliegerbeiträgen birgt - wenn es denn in höheren Instanzen Bestand hat - viel mehr Zündstoff als man auf den ersten Blick vermutet. Es geht nämlich um die Frage, ob abgegrenzte Stadtviertel oder ganze Dörfer als Solidargemeinschaften betrachtet werden dürfen, in denen Sanierungslasten für die Straßen auf alle Schultern gleichmäßig verteilt werden.

Dass der Trend gerade auf dem Land in den letzten Jahren in Richtung der wiederkehrenden Beiträge für alle geht, ist kein Zufall. Die hohen Einmal-Zahlungen für unmittelbare Anlieger träfen viele Eigentümer hart, jede Straßensanierung würde sich zum lokalen Kampfthema entwickeln. Die ohnehin schrumpfenden Gestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene würden sich noch weiter reduzieren. Und der Unfrieden in manchem Dorf wäre programmiert. Und da kommt auch noch, einmal mehr, die leidige demografische Entwicklung ins Spiel. Gerade in kleineren Gemeinden wird es immer öfter Leerstände geben, oder alleinstehende ältere Haus- und Grundstückseigentümer mit geringem Einkommen. Da wird die Frage, ob man an einer zu sanierenden Straße wohnt, schnell zur Existenz-Gefährdung. Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz hat vernünftigerweise die Wahl zwischen den verschiedenen Formen der Beitragserhebung den Gemeinden überlassen. Das schafft die Möglichkeit, entlang den Gegebenheiten vor Ort flexible Lösungen zu wählen. Egal, ob vom demokratisch legitimierten Gemeinderat oder von den Bürgern direkt.Wird die Möglichkeit der wiederkehrenden Beiträge gänzlich abgeschafft, fördert das die Einstellung "Was geht mich mein Nachbar an, wenn er um die Ecke wohnt?" Das kann nicht im Interesse einer vernünftigen Entwicklung liegen. Die Politik sollte, wenn nötig, die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit diese Option auch künftig erhalten bleibt. d.lintz@volksfreund.de

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