Verheerende Signale

Trier · Natürlich lebt unsere Demokratie auch vom Streit um den besten Weg, das schlüssigste Konzept oder im günstigsten Fall die optimale Lösung. Und selbstverständlich steht es jeder Partei oder gesellschaftlichen Gruppierung frei, zu allem und jedem Vorschläge zu präsentieren.

Insofern macht die CDU mit ihrem neuerlichen Vorstoß zum Thema Asyl und Integration von einem selbstverständlichen Recht Gebrauch. Und doch tut sie damit so ziemlich das Dümmste, was man in dieser ohnehin völlig verfahrenen Situation überhaupt machen kann. Oder glaubt im schwarzen Lager wirklich jemand ernsthaft, dass die Bevölkerung das als Lösungsweg, als Kompetenznachweis der Christdemokraten begreifen wird?

Das Gegenteil ist der Fall. Dieses unsägliche und unselige Gezänk und Gezerre geht weiter, das ist die Botschaft, die rüberkommt. So wird das im Land verstanden. Und das, genau das, haben die Leute so unendlich satt. Nach Seehofers Gefasel vom Unrechtsstaat, nach monatelangem Gewürge um das sogenannte Asylpaket II schien sage und schreibe genau drei Tage lang so etwas wie politischer Frieden oder zumindest lautloser Waffenstillstand eingekehrt zu sein.

Und jetzt geht dieses Gepolter schon wieder los. Einmal mehr demonstriert die große Politik, dass sie in der derzeit wichtigsten Frage für den Zusammenhalt und die Zukunft unserer Gesellschaft hoffnungslos zerstritten ist. Wo die gemeinsame, ruhige Suche nach einvernehmlichen, zukunftsweisenden Lösungen gefragt wäre, werden stolz eigene Konzepte aufgetischt. Die mögen gut oder schlecht sein, das spielt überhaupt keine Rolle. Entscheidend ist, dass man so ganz bewusst die politischen Partner vor den Kopf stößt und ihren entschiedenen Widerstand zwangsläufig herausfordert.

Was soll die SPD denn zwecks Gesichtswahrung sonst machen, als lautstark zurückzukeilen? Und sie verstärkt so zwangsläufig den fast spürbaren Ekel sehr vieler Menschen vor dieser Art Politik.

Selbstverständlich wird die CDU vehement bestreiten, dass dieses neue Papier auch nur im Entferntesten etwas mit den drei derzeit laufenden Landtagswahlkämpfen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zu tun hat. In Wahrheit geht es um nichts anderes. Um Wahlkampf, um Deutungshoheit, um das Suggerieren von Entschlossenheit und Tatkraft.

Heraus kommt etwas ganz anderes. Mit solchen Attacken zur Unzeit stärkt man die großen Vereinfacher auf der ganz rechten Seite. Und was fast noch verheerender ist: Man schwächt das ohnehin stark angekratzte Vertrauen der gutwillligen, demokratiebewussten Bürger in die Fähigkeiten der Politik, entscheidende Zukunftsfragen klug und weitsichtig zu beantworten.

Noch diese Woche wird die Kanzlerin in Brüssel auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs versuchen müssen, in der Flüchtlingsfrage Kompromisse auf europäischer Ebene zu finden. Das ist an sich schon eine fast unlösbare Aufgabe. Dieser Kraftakt wird nicht dadurch leichter, dass die deutsche Innenpolitik in den entscheidenden Fragen heillos zerstritten ist. Warum sollen denn die Slowaken oder die Polen, die Franzosen und die Österreicher dem deutschen Weg folgen, wenn die Verantwortlichen hierzulande noch nicht einmal wissen, wohin dieser Weg führen soll? d.schwickerath@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort