Vernunft und Verantwortung

Das Gerede von Siegern und Besiegten, das gestern schon anhob, ist dämlich. Wenn jemand im Poker der Bundestagsparteien um den Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM gewonnen hat, dann die Vernunft.


Die Oppositionsparteien SPD und Grüne konnten es sich schlichtweg nicht leisten, die beiden Vorhaben nächsten Freitag scheitern zu lassen. Das wäre bei der derzeit angespannten Lage des Euro eine Katastrophe gewesen. Die Opposition tat also gut daran, in den Verhandlungen nicht zu überreizen.
Andererseits hatte sich im Koalitionslager herumgesprochen, dass der pure Sparkurs Europa auch nicht aufhilft, einfach weil die Krise noch eine zweite Ursache hat: Die Wachstumsschwäche in einigen Ländern. Im Grunde hat die Opposition mit ihren Forderungen nach wirtschaftlichen Impulsen den Regierungsparteien geholfen, ohne Gesichtsverlust eine überfällige Kurskorrektur vorzunehmen. Auch übrigens bei der Beteiligung der Finanzmärkte an den Kosten der Krise. Die FDP hat im Schatten der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ihre bisherige, unhaltbar gewordene Position dazu aufgegeben. Endlich.
Ein Scheitern der Abstimmung im Bundestag nächste Woche hätte die Krise explodieren lassen. Dass das nun nicht eintritt, heißt allerdings nicht, dass sie deshalb gelöst wäre. Das ist sie erst, wenn die Eurozone beim Schuldenabbau und beim Wachstum erkennbare Fortschritte macht und wenn sie politisch über verbindlichere Entscheidungsmechanismen verfügt. Kurzum, wenn die Märkte wieder Vertrauen fassen. Die prekäre Lage wird also noch lange andauern und in Deutschland immer wieder eine solche Verantwortungsbereitschaft erfordern, wie sie alle Seiten gerade gezeigt haben.
Alle? Nicht ganz. Man könnte es nachvollziehen, wenn die Linkspartei stärkere Belastungen der Reichen fordern würde oder auch eine drastische Beschneidung der Spekulationsmöglichkeiten der Finanzmärkte. Doch damit begründet sie ihre prinzipielle Ablehnung des Fiskalpaktes nicht. Sie ist vielmehr gegen Schuldenbremsen und Sparauflagen an sich.
Sie will Geld drucken, sie spielt mit dem Feuer einer Hyperinflation. Das ist unverantwortlich. Nicht besser verhalten sich einige Ministerpräsidenten der Bundesländer. Dass sie neue finanzielle Lasten, die aus dem Fiskalpakt für sie entstehen könnten, beim Bund abladen wollen, kann man noch verstehen. Dass sie bei der Gelegenheit aber gleich auch noch alte finanzielle Lasten mitverhandeln wollen, die mit dem neuen Regelwerk gar nichts zu tun haben, bis hin zur Finanzierung eines S-Bahn-Tunnels in München, das ist nachgerade frech.
nachrichten.red@volksfreund.de

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