Völlig abgefahren!

Über den Auto-Skandal kann man nur lästern. Es sei denn, es kämen endlich klare Ansagen.

 Damian Schwickerath

Damian Schwickerath

Foto: Klaus Kimmling

Endlich greift er durch, unser Bundesverkehrsminister. Brutalstmöglich versteht sich, schnell und gnadenlos. Der Porsche Cayenne Diesel drei irgendwas darf ab sofort nicht mehr zugelassen werden. Und die Exemplare, aus denen der Feinstaub rieselt und die schon durch die Städte fahren, müssen schnellstmöglich in die Werkstatt zum Nachrüsten.
Na, wenn das mal kein Hammer ist. Schließlich ist dieser Porsche ja einigermaßen preiswerte Massenware, die jeder Zweite von uns in der Garage stehen hat und die er nur im Sommer und bei Sonnenschein hervorholt, fein wienert und dann damit spazieren fährt. Der gute Alexander Dobrindt, für seine kritische Haltung gegenüber der Automobilindustrie bekannt und gefürchtet; mit Recht, wie wir seit Donnerstagabend nun alle wissen. Was sollte er auch anders machen. Schließlich war Gefahr im Verzuge, das gesamte Weltklima könnte kippen, die Pole würden schmelzen und die Eisbären endgültig das Zeitliche segnen, wenn die paar Tausend Cayennes weiter die Luft verpesten, so wie Millionen andere Autos es nach wie vor tun.
Und das alles nur - so sagt es die Legende - weil da in einer Hinterhofgarage bei Porsche, VW und anderswo schlecht bezahlte Leiharbeiter irgendwelche - wahrscheinlich bei den bösen Chinesen gefertigte - Software in die teuren Autos einbauen, die dafür sorgt, dass die Karossen zumindest offiziell nur so viel Staub rausblasen, wie sie dürfen.
Natürlich weiß davon keiner etwas: die Konzernbosse nicht, die angeblich ahnungslosen Aufsichtsräte nicht, und Entwicklungschefs zucken auch nur mit den Schultern. Die wissen wahrscheinlich bis heute nicht, dass der Verbrennungsmotor schon erfunden ist.
Und die Politik? Sie warnt vor einem Generalverdacht für diese Schlüsselindustrie, malt den Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze an die Wand und breitet ansonsten schützend ihre Arme über den bedrängten Konzernbossen aus. Selbstverständlich waren alle ahnungslos, außer den Leiharbeitern natürlich. Die Bundesregierung, die Parteivorsitzenden, die Gewerkschaften und Betriebsräte in den Aufsichtsgremien, das Umweltbundesamt, das Kartellamt, alle sind jetzt völlig überrascht! Genauso der arme, bedauernswerte Stefan Weil. Der ist ja auch nur Ministerpräsident von Niedersachsen, und diesem Bundesland gehört der halbe VW-Laden. Immerhin ließ Weil verlauten, er habe bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung dem VW-Boss die Meinung gesagt. Na, wenn das kein Fortschritt ist. Man kann es förmlich vor sich sehen, wie sich Matthias Müller vor Schreck in die Hosen gemacht hat.
Über all das ließe sich fast unbegrenzt weiter lästern, wenn die Sache keinen ernsten und gefährlichen Kern hätte. Binnen weniger Monate hat es die deutsche Autoindustrie mit immer neuen Fehltritten, Skandalen und Unglaublichkeiten geschafft, den Ruf Deutschlands als Industrienation zu ruinieren. Das ist auf Dauer nicht nur gefährlich für die Fahrzeugbauer, sondern für den Industriestandort insgesamt.
Und während die Konkurrenz der Deutschen weltweit an alternativen Antriebskonzepten bastelt und Regierungen klare Daten für den Ausstieg aus der Verbrennungstechnik raushauen, lädt unsere Bundesregierung die Bosse zum Dieselgipfel ein. Das wirkt irgendwie völlig aus der Zeit gefallen und passt doch exakt ins Bild. Bloß nicht wehtun, auf keinen Fall klare Ansagen machen. Statt endlich Zeitpunkte zu nennen, wann Schluss sein muss mit Diesel und "alles super!"
Warum sollte denn das nicht möglich sein? Bei der Kernenergie ging es doch auch, allerdings erst nach der Atomkatastrophe in Japan. Plötzlich wurde für jeden einzelnen deutschen Reaktor ein Abschaltdatum festgeschrieben. Und zwar, ohne dass es irgendeine der notwendigen großen Stromtrassen gegeben hätte, ohne dass genau geklärt wäre, wie die gesamte Energieversorgung ohne Atom letztlich aussehen wird. Warum also sollte es beim Thema Mobilität nicht möglich sein, endlich Fakten zu schaffen, Druck zu machen, statt weiter rumzueiern und der Konkurrenz beim Davonfahren zuzuschauen?

d.schwickerath@volksfreund.de

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