Vorwärts zurück

Vor einigen Monaten sah die Welt für Angela Merkel noch ganz anders aus. Sie laviere zu viel, führe zu wenig und gebe ihrer CDU kein Profil, lautete die Kritik.

Merkel hat reagiert, in dem sie sich selbst in einen anderen Betriebsmodus schaltete: Den Herbst der Entscheidungen rief die Kanzlerin aus, auf dem CDU-Parteitag im November gab sie sich konservativ wie nie. Und als neues Feindbild wurden die Grünen ausgemacht. Seitdem ist das Genörgel am Führungsstil der Chefin kaum mehr zu vernehmen; die Werte in den Umfragen steigen sogar leicht an. Alles prima in der CDU?
Nicht nur. Tatsächlich ist die Ausgangslage der Union im Superwahljahr 2011 nicht wirklich berauschend. Die meisten der sieben Landtagswahlen dürften sie verlieren, wobei es in der Gewichtung wohl nur eine gibt, deren Ergebnis die Union und ihre Vorsitzende in eine tiefe Krise stürzen könnte: Das ist der Urnengang in Baden-Württemberg am 27 März. Verliert Merkels CDU in ihrem wichtigsten Stammland die Macht, wäre das nicht auch, sondern vor allem eine Niederlage der Vorsitzenden in Berlin. Der ohnehin brüchige Frieden zwischen Partei und wenig geliebter Parteichefin wäre in der Folge sicherlich dahin. Nun fehlt der CDU anders als der SPD die revolutionäre Leidenschaft, was Merkel aber nicht beruhigen sollte. Zumal es ja nicht so ist, dass es in der Union keine Kronprinzen gäbe. Von der Leyen, Röttgen, Guttenberg von der CSU, sie sind dem Welt- und Politikbild der Kanzlerin und ihr selbst eng verbunden, sie fühlen sich aber zugleich zu weitaus Höherem berufen. Die "Mainzer-Erklärung" ist auch eine vorläufige Absage an diese Gruppe der entideologisierten Unions-Politiker im Wartestand - das jahrelange Werben um neue Wählerschichten, für die sie stehen, ist erst einmal passé. Mit dem Papier fokussiert sich die CDU wieder mehr auf ihre konservative Stammwählerschaft. Die Kanzlerin ist schon immer flexibel gewesen. Außerdem ist sie klug genug zu wissen, dass der Union in den nächsten Wochen nur die Rückbesinnung auf ihre Markenkerne nützt. Vorwärts zurück heißt daher die Losung. nachrichten.red@volksfreund.de

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