Wahlkampf als Eiertanz

Es könnte so kommen, dass Bundestagswahlkämpfe für Angela Merkel zum Trauma werden. 2002 musste sie sich dem Bayern Edmund Stoiber in der Frage der Kanzlerkandidatur beugen, 2005 startete sie als haushohe Favoritin, und nach einem völlig vermurksten Wahlkampf wurde sie beinahe zur tragischen Figur.

Und 2009? Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer haben gestern zwar Friede, Freude, Steuersenkungen präsentiert. Die Wahrheit ist aber: Merkels Wahlkampf droht zum Eiertanz zu werden. Die Wahl sei doch schon für sie gelaufen, hat ihr US-Präsident Obama galant in Washington geflüstert. Da täuscht er sich. In den Niederungen der Innenpolitik trifft die Kanzlerin auf etwas, was sie nicht wirklich beherrscht: ihre CDU. Zum Ende der Großen Koalition ist die Union unberechenbarer geworden, weil die Vorsitzende es nicht verstanden hat, in den vergangenen vier Jahren ihrer Partei Profil zu geben. Der mit dem Wahlprogramm verordnete Steuersenkungskurs sollte das ändern - bislang Fehlanzeige. Dass nun der eine oder andere Landesfürst der Vorsitzenden in die Parade fährt, zeigt einmal mehr, wie fragil Merkels innerparteiliche Macht ist. Mit dem Vorschlag der höheren Mehrwertsteuer, die vor allem Geringverdiener trifft, wird die Fähigkeit der Union zum sozialen Ausgleich infrage gestellt. Schlimmer kann es für die CDU-Vorsitzende nicht mehr kommen, ist sie doch genau daran 2005 gescheitert. Allen Beteuerungen gestern zum Trotz, dass nicht an der Steuerschraube gedreht wird, für ihren Wahlkampf ist eine fatale Ausgangslage entstanden: Die Glaubwürdigkeit des Unions-Konzeptes wird ja nicht vom politischen Gegner erschüttert, die Attacken der SPD wird jeder Wähler als übliches Geplänkel abtun. Oder weil kein konkretes Datum für die versprochenen Entlastungen genannt wird? Nein, Merkel sitzt bis zum 27. September deshalb in der Steuerfalle, weil angesichts von 300 Milliarden Euro neuer Schulden bis 2013 die eigenen Leute offenbar nicht glauben, dass Steuersenkungen möglich und Steuererhöhungen unnötig sind. Sagen ja auch die Herren Oettinger & Co, wird die Kanzlerin in den nächsten Wochen immer wieder zu hören bekommen. Schön, wenn es anders wäre. Es fehlen aber Antworten. Merkel und Seehofer müssen endlich klipp und klar sagen, wo sie die fehlenden Milliarden hernehmen wollen, wo gespart und gekürzt werden soll. Statt dessen eiern sie herum. Kein Grund für die SPD, sich ins Fäustchen zu lachen. Auch die Genossen versprechen satte Steuerentlastungen und erklären nicht, wo das Geld dafür herkommen soll. Mag sein, dass der Wähler lieber geschont werden will, damit Politik erträglicher wird. Aber veralbert werden will er bestimmt nicht.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort