Warnschuss vor dem Gipfel

Die Bonitätswarnung der US-amerikanischen Rating-Agentur Standard & Poor\'s setzt weltweit die Märkte einmal mehr unter Druck. Dabei muss die lancierte Nachricht unter unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden.


Zum Ersten: Was würde eine Abwertung der Bonität Deutschland bedeuten? Von dem makellosen Triple A würde die Zahlungsfähigkeit Deutschlands heruntergestuft auf AA.
In der Regel geht es den Staaten nach einer solchen Bewertung wie einem Drei-Sterne-Koch, dem man einen Stern wegnimmt. Die Sache kostet Renommee und meist auch Geld. Staatsanleihen werden in der Regel höher verzinst, Deutschland müsste sich also teurer Geld leihen. Dies ist aber selbst bei einer Herabsetzung nicht sicher. Denn werden - so wie angedroht - bei fast allen Staaten die Noten schlechter, gehört Deutschland immer noch zu den Besten. Entscheidend ist deshalb neben der Benotung durch die Rating-Agentur die Einschätzung der Anleger. Und von dieser Seite droht Deutschland (noch) wenig Ungemach. Schwerer wiegt da schon die Ankündigung, auch den europäischen Rettungsfonds abzustufen. Dies kostet konkret alle Teilnehmer Geld.
Kritisch muss der Blick sein, wenn es um die Art der S&P-Veröffentlichung geht. Es ist bei weitem nicht zum ersten Mal, dass Standard & Poor\'s Bewertungen, je nach Sicht, geschickt oder ungeschickt platziert. Nicht wenige Beobachter und vor allem viele Politiker werfen der Rating-Agentur vor, mit Staatsanleihen ihre Spielchen zu treiben. Erst vor wenigen Wochen hatte die Agentur irrtümlich und versehentlich (?) eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit Frankreichs vermeldet. Die Märkte spielten verrückt, der Dax sank um fünf Prozent. Wer mit diesem Wissen auf fallende Kurse gesetzt hat, konnte schnell Millionen verdienen. Seriosität sieht anders aus. Der Ruf der Politik, die US-Rating-Agenturen an die Leine zu nehmen, wurde laut und lauter. Doch mehr als ein Pfeifen im dunklen Keller ist es bisher nicht.
Denn eigentlich haben die Rating agenturen recht, wenn sie die Staaten kritisch bei ihrer Krisenbewältigung und dem notwendigen Schuldenabbau begleiten. Viel zu lange haben sie die Situation positiv bewertet, jetzt, da viele Länder Reformen angehen, wird diese harte Politik auch noch negativ begleitet. Man kann ihnen also nicht vorwerfen, falsch zu bewerten, sondern nur zu spät.
Denn letztlich sind Rating-Agenturen nichts anderes als die Überbringer der schlechten Nachrichten, nicht die Ursache. Sie sind wichtig für die Märkte, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Der S&P-Warnschuss zielt klar auf den EU-Gipfel Ende der Woche. Die Politik weiß nun: Nur fürs Lamentieren gibt\'s keine guten Noten.
h.waschbuesch@volksfreund.de

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