Leitartikel Warum das Hochwasser den Wahlkampf nicht verfälscht

Die Folgen des Hochwassers sind noch lange nicht beseitigt, es ist noch nicht einmal klar, wie viele Opfer die Fluten gekostet haben. Schon kommt die Diskussion auf, wem die Katastrophe bei den Wahlen Stimmen bringen wird.

Warum das Hochwasser das Ergebnis der Bundestagswahl nicht verfälschen wird
Foto: TV/Friedemann Vetter

Die einen sehen die Grünen als mögliche Profiteure, weil sie Klima- und Umweltschutz als Kernthema ansehen, die anderen Armin Laschet, weil er als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen als Krisenmanager unterwegs ist. Das alles sind Diskussionen, die unangebracht sind.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich beeinflussen diese Ereignisse den Wahlkampf. Zum Vergleich: Wenn die Firma in der Krise ist, sind wir alle daran interessiert, dass Chefinnen und Chefs überzeugend handeln. Daher ist es mehr als verständlich, dass Armin Laschet sich vor Ort ein Bild macht. Ebenso selbstverständlich ist es, dass Malu Dreyer die Orte besucht, an denen Angehörige um ihre Liebsten trauern und an denen es die größten Schäden gab. Wenn dabei Olaf Scholz an ihrer Seite ist, ist dies immer etwas Wahlkampf. Das ist aber nachvollziehbar, weil er eben nicht nur Kanzlerkandidat, sondern ebenso Bundesfinanzminister ist und gerade schnelle Hilfen von allen Seiten gefragt sind.

Ja, Laschet und Scholz haben hier Blick auf die Medienpräsenz einen Vorteil. Aber der kommt nicht von ungefähr. Wählerinnen und Wähler haben ihre Parteien gewählt, darum sind sie in Regierungsämtern. Und deswegen haben sie Verantwortung und müssen diese nun in Extremfällen übernehmen.

Die Hochwasser-Katastrophe wird das Ergebnis der Bundestagswahlen beeinflussen, verfälschen wird sie es aber sicherlich nicht. Wer das befürchtet, der sollte sein Bild von unser aller Entscheidungen bei Wahlen prüfen. Ja, wir sind emotional, ja wir alle beachten Bilder stark. Mein Verständnis von mündigen Wählerinnen und Wählern ist aber eines, das ihnen zutraut, die Entscheidung bewusst zu treffen. Wenn beachtet wird, wer Krisen meistert, finde ich dies nicht verwerflich, sondern nachvollziehbar. Wenn dabei Zukunftsthemen im Blick sind wie die Sicherheit in unseren Orten oder der Klimaschutz, um so besser. Dass alle anderen Themen auf einmal vergessen sind – diese Befürchtung habe ich zumindest nicht. Gerade während der Corona-Krise wird etwa die wirtschaftliche Entwicklung ebenso wichtig sein wie die Frage, wer die Kosten für den Neuaufbau und die Modernisierung in vielen Bereichen übernehmen soll und wie diese sozial gerecht verteilt werden.

Kurzfristig mit Geld für Hilfe sorgen, das ist es, was in diesen Tagen von derzeit Verantwortlichen erwartet werden kann – übrigens auch ohne Wahlen. Zudem zu zeigen, wie solche Katastrophen wenn nicht schon verhindert, dann zumindest abgemildert werden können, das ist nun eine Aufgabe für alle Parteien, für alle Kandidatinnen und Kandidaten. Dafür bleiben ihnen mehr als zwei Monate – in denen alle überzeugen können.

t.roth@volksfreund.de

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