Die Woche im Blick Neun Monate – und fast nichts gelernt

Der harte Lockdown kommt – das ist absehbar. Und er ist in der jetzigen Lage richtig. Dennoch ist die Corona-Politik derzeit vor allem eines: ein Hin und Her ohne Linie und insgesamt mangelhaft.

Warum der harte Lockdown richtig ist - und die Politik doch falsch agiert
Foto: TV/Friedemann Vetter

Zugegeben: Ich habe den Teil-Lockdown kritisiert, weil er schlichtweg an vielen Stellen ein Schnellschuss war. Ob die Maßnahmen helfen, war unklar. Und ich bleibe dabei: Wenn etwa ein Museum geschlossen ist, das alle Hygieneregeln bestens umgesetzt hat, werden deswegen keine Infektionszahlen sinken. Und wenn Gastronomen und gar Cafés selbst tagsüber keine Gäste mehr bedienen dürfen, ist dies so hilfreich wie eine Maskenpflicht auf nächtens leeren Straßen.

Warum aber stoppte zumindest das Wachstum bei den Neuinfektionen über längere Zeit? Ich kann es nur vermuten, gehe aber davon aus, dass schon die Diskussion über den Teil-Lockdown vielen noch einmal den Ernst der Lage bewusst machte. Zudem gingen etwa Behörden und Polizei wohl schärfer gegen Privatpartys vor, als einige spektakuläre Fälle bekannt wurden. Und sicherlich wirkten und wirken die Kontaktbeschränkungen.

Anderes blieb aber unverändert: Dass etwa in Bussen und Bahnen weiter Gedränge herrschte, war und ist gefährlich – und es führt verständlicherweise zu Unverständnis. Vielleicht sind es ja nur wenige Übertragungen auf diesen Wegen, aber: Es ist und wird nie möglich sein, in solchen Fällen die Kontaktpersonen zu ermitteln. Dies ist eben ein Unterschied zu Firmen oder Schulen, solange die Klassen getrennt werden.

Das Problem der fehlenden Übersicht ist, wie viele andere, seit Monaten bekannt. Das darf und muss kritisiert werden. Genauso wie vieles mehr: In Altenheimen kommt es immer wieder zu Corona-Ausbrüchen. Ausgerechnet hier, wo das größte Risiko herrscht, gibt es nur langsam Fortschritte. Corona-Schnelltests sind öfter, aber nicht überall vorhanden, ihr Einsatz ist nicht einheitlich geregelt. Wenn nun erstmals FFP2-Masken an ältere Menschen kostenlos verteilt werden, ist dies richtig, aber längst überfällig – und ebenso ein Beweis für die behäbigen Reaktionen.

Und ich wage es vorherzusagen. Wenn die Schulen zum Fernunterricht zurückkehren, wird sich eines zeigen: dass die Vorbereitungen erneut unzureichend sein werden. Natürlich lässt sich nicht alles schnell ändern. Aber die Kinder und Jugendlichen sind bei allen Maßnahmen aus dem Blick geraten, nicht nur an dieser Stelle. Sie sind heute wieder aus dem Unterricht nach Hause gekommen, ohne zu wissen, wie es am Montag weitergeht – wie im März.

Neun Monate waren Zeit, sich besser vorzubereiten. Nun haben es Ministerpräsidenten und Kanzlerin nach einer Woche offener Debatte geschafft, sich auf Sonntag als Termin für eine gemeinsame Abstimmung geeinigt. Dieser kleine Punkt zeigt vieles. Das Hin und Her wäre verzeihbar, wenn es einmalig wäre, in dieser Gesamtheit ist es aber ein Armutszeugnis und gefährdet auch das so wichtige gemeinsame Verständnis für Maßnahmen.

t.roth@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort