Was hätte gesagt werden müssen

Auffällig ist, mit welchen Themen sich Günter Grass in seinem "Gedicht" nicht befasst. Was über die Region Nahost hätte gesagt werden müssen, ist doch in diesen Tagen zuallererst, wie unerträglich es ist, dass der Diktator Assad in Syrien gänzlich unbehelligt Zivilisten zusammenschießen lassen kann.

Es hätte gesagt werden müssen, dass es verzweifelt macht zu sehen, wie die Revolution einer nach Freiheit und Bildung lechzenden Jugend in den arabischen Ländern von Salafisten umgedreht wird in die Herrschaft der Unfreiheit und Unbildung. Es hätte gesagt werden müssen, wie menschenverachtend das Regime der graubärtigen Männer im Iran ist.
Doch in Grass erweckt erst die aktuelle deutsche U-Boot-Lieferung an Israel den politisch-moralischen Furor. Nicht übrigens die Lieferung von deutschen Panzern an die saudischen Despoten. Es ist der altbekannte Pazifismus. Der fragt nicht nach Richtig oder Falsch, sondern hält sich immer an die Staaten des eigenen Lagers, um den Krieg abzuwenden. Hinzu kommt als Motiv der Antisraelismus, die Abneigung gegen Israel als starkes westliches Land in der Region. Er ist bei den Linken verbreitet und gleicht dem Antiamerikanismus, der den USA stets pauschal weniger lautere Motive als ihren Gegnern unterstellt hat. Dabei sind die USA anders als alle ihre Gegner ein demokratisches Land. Auch Israel ist weit und breit das einzige demokratische Land der Region. Der Antiisraelismus ist nicht Antisemitismus. Aber er wird, das sollte Grass wissen, von den Antisemiten natürlich vereinnahmt.
Eine politisch-moralische Instanz darf den eigenen Freunden zurufen: Merkt ihr nicht, ihr seid dabei, zu werden wie sie! Dann sind die Maßstäbe klar. Doch Grass sagt bezogen auf den Atomkonflikt, Israel sei es, das den Weltfrieden gefährde. Dass Irans Führung Israel von der Erdkarte tilgen will, lässt er unerwähnt. Diese groteske Verkehrung wird unterstützt durch Verdrehungen, zum Beispiel des Wortes "Erstschlag". Israel hat damit immer einen konventionellen Angriff auf Irans Atomanlagen gemeint, nie einen nuklearen. Grass weiß das.
Bewusst etwas Falsches sagen, um eine politische Wirkung zu erzielen, das nennt man Demagogie. Grass, der sein "Gedicht" absichtsvoll in Tageszeitungen veröffentlichte, ist bei dieser Demagogie ertappt worden. Man muss schon sehr dreist oder sehr halsstarrig sein oder beides, um sich nun als Opfer einer gleichgeschalteten Presse zu verkaufen.
nachrichten.red@volksfreund.de

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