Wenn es hilft

Mit bis zu 25 000 Euro will das Simon-Wiesenthal-Zentrum Tippgeber belohnen, die auf die Spur noch lebender Nazi-Kriegsverbrecher führen. Die Kampagne, begleitet von Plakaten an Haltestellen, Litfasssäulen und Wänden in Köln, Berlin und Hamburg, ergibt Sinn.


Viele Kriegsverbrecher sind nie vor ein Gericht gestellt worden. Oft geht es, wie im Fall des 2011 in München verurteilten und kurz darauf im Alter von 91 Jahren verstorbenen John Demjanjuk, um Morde an Tausenden Menschen, zum Beispiel in den Vernichtungslagern wie Auschwitz. Noch immer leben Dutzende KZ-Wachleute und andere Nazi-Schergen, Mörder und Mittäter, hochbetagt und unbehelligt. Bis heute hat niemand entscheidend zu ihrer Festnahme beigetragen. Obwohl manche sogar in Abwesenheit bestraft worden sind, müssen sie ihre Strafe - Gefängnishaft im Seniorenalter - nicht antreten, weil sie nicht identifiziert worden sind.
Nun ist es nicht das erste Mal, dass die Nazi-Jäger des Wiesenthal-Zentrums so handeln, aber die Zahl der Hinweise auf noch lebende Täter hat über die Jahre abgenommen. Mancher stirbt, ohne dass er oder sie sich je hat verantworten müssen.
Die Zeit ist knapp, da ist jedes Mittel recht, auch Geldversprechen. Belohnungen sind bei Fahndungen ohnehin üblich. Wenn im Fall der Nazi-Täter daraufhin Kriegsverbrecherprozesse folgen, ist dies nicht übertrieben oder gar unmenschlich, höchstens reichlich spät.
Denn wie konnten gesuchte Nazis fliehen, untertauchen, und warum genießt mancher bis heute frei die Rente? Doch nur, weil in früheren Jahren häufig das Bewusstsein für die Schwere der ihnen vorgeworfenen Verbrechen fehlte - und das bis hinein in die deutsche Justiz. Hinzu kommt, dass selten das nahestehende Umfeld, die Familie, einen verdeckt lebenden Täter freiwillig offenbaren.
Ergäbe sich durch die neuerliche Kampagne nur ein einziges Gerichtsverfahren, wäre das sensationell. Wenn nicht, rückt zumindest mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit, dass es diese Mörder mitten unter uns zuhauf gegeben hat und vereinzelt immer noch gibt. Das ist wichtig.
oht@volksfreund.de

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