Westerwelle schlägt Wulff

Die Legislaturperiode ist, viele vergessen das, 365 Tage mal vier plus einen Schalttag lang, also 1461 Tage, und da ändert sich so manches. Guido Westerwelle zum Beispiel, gestern noch Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala, ist jetzt nur noch vorletzter.

Wolfgang Schäuble schien schon weg, nun ist er Spitzenreiter. Knapp vor Merkel, die zu einer Art Präsidialkanzlerin avanciert, überparteilich, sauber, uneitel.
Die schon totgesagte Regierungskoalition erholt sich, wenn auch noch nicht die FDP an sich, die Opposition kommt nicht recht auf die Beine.
Auch denjenigen, denen wöchentlich irgendein Interviewer eine Frage stellt, die mit "Stellen Sie sich vor, nächsten Sonntag wäre Bundestagwahl" beginnt, ist nicht verborgen geblieben, dass es Deutschland recht gut geht. Bei Lichte und in Relation zu den europäischen Nachbarn betrachtet, sogar sehr gut. In der Bundespolitik ist bis zur Wahl noch vieles möglich.
Nur einer säuft demoskopisch ab: Christian Wulff, das neue Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala, eine Position, die ein Bundespräsident noch nie einnahm. Hinter Westerwelle und Gregor Gysi, das will was heißen. Ruf und Glaubwürdigkeit sind dahin, und dieser Mangel lässt sich jetzt auch nicht durch Aussitzen mehr ausschwitzen. Denn Wulff fehlt jene Perspektive, die allen anderen Politikern winkt, wenn sie eine Krise durchstehen: Eine zweite Chance, eine neue Wahl.
Wulff wird keiner wieder aufstellen. Er kann nur noch als peinlichster vorzeitig zurückgetretener Präsident aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen. Oder als peinlichster nicht vorzeitig zurückgetretener Präsident aller Zeiten. Das ist seine Wahl. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort