"Wir teilen dieselbe Vision"
Der designierte amerikanische Präsident Barack Obama hat gestern offiziell einen Teil seines künftigen Kabinetts vorgestellt. In seinem nationalen "Sicherheits-Team" werden Vertreter des rechten Demokraten-Flügels wichtige Ämter übernehmen.
Chicago. Sie bezeichnete seine außenpolitischen Thesen als "naiv". Er attackierte sie als Teil des "Washingtons von gestern" und hielt ihr vor, für den Krieg im Irak gestimmt zu haben. Doch diese Aussagen sind, glaubt man Barack Obama, lediglich Produkte der "Hitze des Wahlkampfs". Und weil er ahnt, dass die jetzt offizielle Nominierung von Hillary Clinton als künftige US-Außenministerin weiter jede Menge Fragen aufwerfen wird, ging er gestern bei der Pressekonferenz in Chicago - die einstige Erz-Rivalin lächelnd an der Seite - in die Offensive: "Wir teilen dieselbe Vision", sagte er fast trotzig und gab an, seine Entscheidung für die frühere First Lady sei das Ende sorgsamer Überlegungen: "Es war kein Moment, wo mir plötzlich ein Licht aufging." Denn schließlich sei Hillary Clinton "eine Amerikanerin von gewaltiger Statur" und "die richtige Position für dieses Amt".
Ziel: Diplomatie mit mehr Freunden und weniger Feinden
Die geplante Berufung Clintons war eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse des neugewählten Präsidenten - und hing dennoch lange in der Schwebe. Erst am "Thanksgiving"-Feiertag, so ist zu hören, stimmten die Anwälte von Hillary und Bill Clinton den von Obama geforderten Bedingungen endgültig zu, schonungslos persönliche Details offenzulegen und damit Interessenkonflikte zu vermeiden. Damit war der Weg frei für eine Frau, die es gestern als ihre wichtigste Aufgabe sah, "Amerika als Kraft des positiven Wandels in der Welt neu zu etablieren" und somit das außenpolitische Trümmerfeld der Bush-Regierung aufzuräumen. Die Aufnahme von Hillary Clinton in sein Kabinett sei auch "das Zeichen meines Willens, Allianzen zu erneuern", unterstrich Obama diesen aus europäischem Blickwinkel besonders wichtigen Aspekt. Und die künftige Außenpolitikerin bestätigte dies gestern noch einmal ausdrücklich. Sie strebe eine "positive Diplomatie" mit "mehr Freunden und weniger Feinden" an. Hillary Clinton ist das prominenteste Mitglied von Obamas "National Security Team" - wobei dieser Begriff deutlich macht, dass die Außenpolitik vor allem vom weltweiten Kampf gegen den Terrorismus geprägt sein wird.
Hillary Clinton wird von US-Medien als politisch rechts von Obama gesehen, und der "Falken"-Begriff zielt auf den amtierenden Verteidigungsminister Robert Gates ab, der im Amt bleiben darf, sowie auf den früheren Nato-Oberbefehlshaber James Jones, der Obama als Nationaler Sicherheitsberater zur Seite stehen soll. "Altgediente Kalte Krieger" nennt die New York Times sowohl Gates als auch Jones mit Blick auf deren langjährige Karriere in sicherheitspolitischen Positionen. Beide hatten sich zuletzt vor allem dadurch für den Wahlsieger empfohlen, dass sie sich gegenüber der Bush-Regierung im offenen Widerspruch übten.
Gates hatte vor gut einem Jahr damit begonnen, in öffentlichen Reden über die Grenzen militärischer Macht in Konflikten zu philosophieren, die nicht militärisch zu gewinnen seien - begleitet von bezeichnendem Schweigen des Weißen Hauses. Der angehende Sicherheitsberater Jones war in seiner Kritik noch deutlicher und warf Bush "Versagen bei der Afghanistan-Strategie" vor. Nun soll Jones gemeinsam mit Gates Obamas Ankündigung umsetzen, durch eine massive Truppenverlagerung aus dem Irak am Hindukusch doch noch die Wende zu erreichen. Traum-Duo?
Gestern gab Barack Obama seine politische Liaison mit Hillary Clinton offiziell bekannt, doch eine Liebes-Heirat ist es nicht. Denn vieles spricht dafür, dass der Wahlsieger hier aus Vernunft und Langzeit-Kalkül eine Beziehung eingeht, die nicht ungefährlich ist. Wie will er den Wählern, denen glaubhafter Wandel versprochen wurde, die Berufung einer zum Establishment in Washington zählenden Frau zur Chef-Diplomatin verkaufen, deren außenpolitische Qualifikation in Memoranden der Obama-Berater noch im Frühjahr ein vernichtendes Urteil erhielt, die politisch eher rechts von Obama steht und die von liberalen Medien sogar als "Falke" eingestuft wird? Wie loyal wird die Power-Frau sein, wenn Entscheidungen Obamas bei kritischen Fragen wie dem Umgang mit dem Iran oder Pakistan gegen ihre ureigenen politischen Ansichten gehen? Wird Bill Clinton, der Ex-Präsident im Unruhestand, die Absprachen honorieren und künftig auf seine ganz private Außenpolitik verzichten? Barack Obama setzt mit Hillary Clinton auf die Macht der großen Gesten und großen Namen. Und er hofft, Hillary Clinton mit Blick auf 2012 bereits eine Trumpfkarte aus der Hand nehmen zu können: In vier Jahren nämlich glaubhaft behaupten zu können, an Fehlern in Obamas erster Amtszeit nicht beteiligt zu sein. nachrichten.red@volksfreund.de