Meinung Zur Fußball-WM in Katar Warum bei mir keine WM-Laune aufkommt – und dies nicht nur an Katar liegt
Boykott der Fußball-WM? Das kommt für mich nicht in Frage. Warum bei mir dennoch kaum Turnierstimmung aufkommt – und nicht nur der Austragungsort eine Rolle dabei spielt.
Eine Weltmeisterschaft, die in einem Land voller (vermeintlicher) Fußballexperten und Fußballfans wie Deutschland kaum auffällt: Das ist die WM in Katar bisher. Selten haben sich in den vergangenen Jahren so wenige die Spiele angeschaut. Und haben Sie eigentlich Fan-Accessoires in Läden entdeckt? Oder gar Fähnchen an Autos?
Mancher boykottiert die WM bewusst. Allerdings sei offen gesagt: Relativ häufig melden sich dabei Menschen zu Wort, die ansonsten ebenfalls kaum Fußballspiele schauen. Aber vielleicht geht es Ihnen ja wie mir? Ich liebe immer noch Fußball, obwohl mich manche PR-Nummer des modernen Fußballs aufregt. Wenn das Spiel nur Nebenprodukt ist, ärgere ich mich ebenso wie über einen Verband, der Ausnahmen stets zulässt, wenn dahinter der große Geldsegen vermutet wird. Ich hasse RB Leipzig nicht. Dennoch halte ich es für falsch, einem solchen Konstrukt alle Türen zu öffnen. Aber dennoch: Ich schaue Sky oder DAZN und erwische mich dabei, selbst vermeintlich belanglose Duelle in der Bundesliga zu verfolgen. Aber nun habe ich etwas anderes festgestellt: Ich weiß teils gar nicht, wer heute bei der WM spielt. Und selbst das deutsche Spiel habe ich nur nebenbei geschaut – und zwar ohne mich darüber zu ärgern, dass ich keine Zeit habe.
Ein Punkt dafür ist sicher die Vergabe an Katar. Dass dabei Unsummen an Geldern über dubiose Kanäle geflossen sind, ist für mich schon erschreckend normal. Wer glaubt, dass die Fifa einfach den passendsten sportlichen Veranstalter sucht, kann genauso gut wetten, dass Italien in Katar Weltmeister wird. Aber eine WM in ein Land zu vergeben, das weder einen größeren Markt bietet, noch bieten könnte, das Stadien mit Klimaanlagen herunterkühlt, um annehmbare Bedingungen zu schaffen, das eben tatsächlich faktisch nur das Geld und nichts anderes als Argument bietet, ist selbst für die Fifa eine unglaublich schlechte Entscheidung gewesen.
Ich gebe allerdings zu, dass nicht nur das WM-Land eine Rolle spielt bei meinem fehlenden Interesse. Nebenbei gesagt finde ich es richtig, die Einschränkung der Menschenrechte offensiv anzusprechen. Halbherzige Gesten wirken dabei aber weder nach innen noch nach außen – und sollten dann besser gar nicht angekündigt werden. Die angeblich so mutige Binde wird sonst – verzeihen Sie das Bild – zum alten Waschlappen, den keiner haben will.
Aber meine Entfremdung von der Nationalmannschaft hat tatsächlich auch etwas mit Worthülsen wie „Die Mannschaft“ zu tun. Nein, ich will kein Team, das sich von früh bis abends in schwarz-rot-gold präsentiert. Aber ich würde gerne zumindest spüren, dass die Spieler auf dem edlen Rasen wirklich alles geben. Dass sie Lust haben, für ihr Land zu spielen, und Emotionen ebenfalls eine Rolle spielen. Lieber einmal laut und unpassend schimpfen, als selbst nach Niederlagen immer die in PR-Schulungen vorgefertigten Aussagen zu tätigen.
Ob die WM-Laune dann aufkommt? Zumindest bei mir wirkt – da bin ich mir als Fan immer noch sicher – alles besser als dieses halbherzige Auftreten, neben und auch auf dem Platz.