Woodstock der Gutmenschen

Die Botschaft des Kirchentages macht Mut.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: Mathias Krohn

Der Evangelische Kirchentag im gottlosen Berlin und in der ebenso gottlosen Lutherstadt Wittenberg war ein sehr bewusstes und auch selbstbewusstes Signal. Wir sind da, wir sind viele, wir lassen uns unsere Werte nicht nehmen, wir werden für eine offene Gesellschaft kämpfen. Nicht Angst ist unser Ratgeber. Sondern der Glaube an das Gute, also die Hoffnung. Nicht Ausgrenzung ist unsere Lösung. Sondern das Miteinander der Menschen. Das war die Botschaft. Die Prominentendichte - von Merkel bis Obama, von Schulz bis Steinmeier und de Maizière - war hoch und hat gezeigt: Die Besten stehen hinter dieser Haltung.
"Gutmenschen" ist neben "Lügenpresse" und "Volksverräter" einer der wichtigen verbindenden Begriffe von Populisten, Identitären und Neonazis. Es sind alles Negativbegriffe, weil diese Strömungen von Ab- und Ausgrenzung leben. Sie hassen die anderen, die die "öko" und friedfertig sind, die gendern, die Flüchtlingen helfen, die teilen wollen, die an das Gute im Menschen glauben. Dieser Kirchentag war ein Woodstock der Gutmenschen. Nachdenklich, wo nötig, fröhlich, wo möglich. Man kann ja einmal versuchen sich auszumalen, wie ein Treffen ähnlich vieler AfDler und Pegida-Leute wohl aussehen und verlaufen würde. Dabei war die Veranstaltung im Jubiläumsjahr der Reformation durchaus nicht konfliktfrei angelegt. Kontroversen wurden nicht vermieden, sondern im Gegenteil sogar gesucht. Zu den herausragenden Ereignissen gehörten die kritischen Fragen von Jugendlichen an Barack Obama und an Angela Merkel. Der Disput mit Innenminister Thomas de Maizière um die Abschiebungen. Die Debatte mit einer Vertreterin der AfD und die Diskussion mit Vertretern des Islam. Und Bundespräsident Steinmeier beschäftigte sich in einer bemerkenswert tiefen Analyse mit den Gründen dafür, dass sich immer mehr Menschen den Fakten und der Vernunft verweigern. Dieser Kirchentag wollte selbst ein Beispiel gelebter Demokratie geben, und dazu gehört immer die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen, der Versuch des Verstehens. Wer die einfachen Antworten ablehnt, darf sie selbst nicht geben. Ganz einfach. Der letzte Katholikentag 2016 in Leipzig war bereits von einem ähnlichen Geist geprägt gewesen. Das Spirituelle, das die großen Laientreffen beider Konfessionen früher stärker dominierte, ist einer neuen Politisierung gewichen. Man spürt: Die Christenheit in Deutschland ist wach geworden. Und sie ja nicht allein. Auch die gestiegene Wahlbeteiligung bei den letzten Landtagswahlen hat schon gezeigt, dass sich die Bürger allmählich bewusst werden, dass Zeiten der Polarisierung Engagement erfordern. Wer seine Stimme jetzt nicht erhebt (und sie bei der Bundestagswahl nicht abgibt), überlässt sie den anderen. Manchmal hilft beten. Manchmal aber auch das klare Bekenntnis.

nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort