Zeit, dass sich was dreht

Niemand soll nirgendwo auf der Welt naiv mit Scheuklappen durchs Leben laufen oder permanent die rosarote Brille tragen. Missstände müssen - gerade von Journalisten - angesprochen und aufgedeckt werden.

Aber dadurch sollte der Blick aufs Wesentliche nicht völlig aus den Augen geraten. In Peking geht es vom 8. bis 24. August erst einmal um Sport. Es geht um Leistung, Medaillen und auch um Völkerverständigung.

Dass im Vorfeld von Olympischen Spielen das Thema "Doping" knallhart aufgearbeitet wird, ist vollkommen richtig. Denn Doping ist ein sport-immanentes Problem. Ein Problem der Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Chancengleichheit. Dass neben der umfangreichen Doping-Berichterstattung ansonsten aus Peking aber ausschließlich über Themen berichtet wird, die überhaupt nichts mit Sport oder Olympia zu tun haben, stimmt nachdenklich. Tibet-Konflikt, Pressefreiheit, diktatorisches Handeln der Regierung, Umweltverschmutzung - alle diese Komponenten sollten den 118 Delegierten des Internationalen Olympischen Kongresses am 13. Juli 2001 klar gewesen sein, als sie Peking den Zuschlag für die Spiele 2008 gaben. Natürlich setzte man darauf, dass sich das Riesenreich nach westlichen Standards weiterentwickelt, aber von 0 auf 100 in sieben Jahren ist eine recht knapp bemessene Zeit, wenn China auch schon einige - hierzulande kaum erwähnte - Schritte gemacht hat.

Aber es ist eben derzeit en vogue, China weltweit medial an den Pranger zu stellen. Wurde etwa bei den Winterspielen von 2006 in Turin großflächig über Mafia, Korruption oder Regierungskrisen in Italien berichtet? War es das Topthema bei den Winterspielen von Salt Lake City, dass sich das Ausrichterland USA im Krieg befand? Kamen 2006 die Heerscharen von Journalisten aus aller Welt zur Fußball-WM nach Deutschland, um ausschließlich über Kindermorde im Osten oder aufkeimende Gefahr von Rechts zu schreiben?

Olympia und Politik lassen sich allerspätestens seit dem Attentat bei den Spielen von München 1972 nicht trennen, aber wenn ein derartiges Ungleichgewicht der Meinungsäußerungen wie jetzt in Peking entsteht, kann einem die Lust auf die Spiele schon vergehen. Journalisten sollten in ihrer Arbeit nicht behindert werden und Regimekritiker sollten zu Wort kommen statt drangsaliert zu werden. Davor sollte die Welt die Augen nicht verschließen.

Aber es wird Zeit, dass die Spiele beginnen und der Sport im Mittelpunkt steht.

b.pazen@volksfreund.de

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